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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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wiederum blicken naturgemäß mit Neid und Missgunst auf irgendwie privilegierte Mitmenschen.«
    »Das sind sie ja auch«, pflichtete ich ihm bei. »Sie leben hier mit allem Komfort einer weit fortgeschrittenen Zivilisation, während ihre Mitbürger ›zu Hause‹ in vieler Hinsicht noch in der Bronzezeit vegetieren. So habe ich Sie bisher zumindest verstanden.«
    »Völlig richtig«, nickte er, »und das ist ein Kontrast, der eine Stammesgemeinschaft zerreißen kann. Deshalb sind wir auch so intensiv darum bemüht, unser Geheimnis zu bewahren, auch wenn wir inzwischen ein gutes Stück weiter als in der Bronzezeit sind. Sie können das ruhig als paranoid bezeichnen. Unsere Gesetze sind da sehr streng, auf Desertion oder Verrat stehen drakonische Strafen, unter bestimmten Umständen sogar die Todesstrafe.«
    »Todesstrafe? Habe ich da richtig gehört?«, fiel Carol ihm mit entsetztem Blick ins Wort.
    »Ja, zumindest sieht das Gesetz sie vor. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, dass je wegen Desertion die Todesstrafe vollstreckt worden wäre«, erklärte Dupont. »Dass ich Sie ins Vertrauen gezogen habe, ist streng genommen bereits ein strafwürdiges Vergehen, und ich kann nur hoffen, dass davon nichts herauskommt. Ich kann Ihnen auch versichern, dass Ihr Mann und Sie die ersten Menschen sind, mit denen ich je in dieser Offenheit über unsere Situation gesprochen habe.«
    »Wirklich?« Ich musterte ihn skeptisch von der Seite. »Und warum ist das so?«
    »Weil Ihr Fall wirklich einmalig ist. Ja, es ist in der Vergangenheit schon vorgekommen, dass Leute von einer Parallelwelt in eine andere versetzt worden sind, aber das wurde immer als Scharlatanerie abgetan. Wenn wir davon erfahren haben, haben wir uns meist mit Erfolg bemüht, den Verdacht der Scharlatanerie zu fördern. Dass allerdings jemand so, wie das mit Ihnen passiert ist, mit seinem ›Zwilling‹ sozusagen die Plätze getauscht hat, ist nach meiner Kenntnis und auch nach Ansicht unserer Weisen ein einmaliger Vorgang. Dass das dann zu allem Überfluss mit jemandem passiert ist, der dabei nicht an Hexerei geglaubt oder einfach den Verstand verloren hat, ist ein besonderes Glück.«
    »Soll ich daraus schließen, dass Mr. Mortimer nicht so gut mit seinem Schicksal zurechtkommt?«, wechselte ich das Thema.
    »Damit haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen«, nickte Dupont. »Das hängt auch mit dem Anliegen zusammen, das ich an Sie habe. Dieser arme Teufel ist völlig durcheinander, und obendrein können wir uns kaum mit ihm verständigen. Er spricht nur gebrochen Deutsch; zudem Englisch, aber in einem recht ungewöhnlichen Dialekt, und weder ich noch meine Mitarbeiter beherrschen diese Sprache hinreichend. Deshalb sind wir auf seine höchst bescheidenen Deutschkenntnisse angewiesen.«
    Seine Worte machten mir wieder einmal bewusst, wie sehr sich diese Welt doch von der meinen unterschied. Anscheinend hatte Deutschlands dominierende Rolle in Europa auch zu einer Dominanz der deutschen Sprache geführt. Das war mir ja schon in den ersten Tagen meines Hierseins an den vielen Alltagsbegriffen aufgefallen.
    »Und worin besteht dieses Anliegen?«, erkundigte ich mich.
    »Nun, Sie haben mir ja erzählt, dass Sie mehrere Jahre in den USA gelebt haben, und da dachte ich –«
    »Dass ich für Sie dolmetschen könnte«, unterbrach ich ihn. »Das sollte kein Problem sein. Und dass meine Frau aus den USA – Verzeihung, aus den Konföderierten Staaten von Amerika – stammt, ist Ihnen ja auch bekannt …«
    »Ja, aber ich habe nicht nur an Dolmetschen gedacht. Bei unserem ersten Gespräch in dem Lokal in München ist mir schnell klar geworden, dass Sie eine ziemlich klare Vorstellung von dem Thema Parallelwelten haben und als Schriftsteller und Journalist dazu noch über die Gabe verfügen, diesen komplizierten Sachverhalt auch einfachen Menschen nahebringen zu können. Seit Angehörige meines Volkes an Ihren Universitäten studieren, gibt es bei uns Wissenschaftler, die dazu in der Lage sind – solange sie mit Fachkollegen sprechen. Das einfache Volk, und dazu zähle ich mich zumindest in diesem Wissensbereich, kann da nicht folgen. Man rutscht, man betritt eine Anderwelt und man rutscht zurück … so einfach ist das. Wie es geht, weiß niemand, es bedarf dazu nur der Meditation und der entsprechenden Begabung –«
    »Ja, das habe ich schon verstanden«, unterbrach ich seinen Redeschwall und verschaffte ihm damit eine Atempause, um wieder einen Schluck Kaffee zu

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