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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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gleich darauf das Brustbild einer jungen Frau auftauchte, die uns mit wohlmodulierter Stimme mitteilte: »… werden die Ausläufer des Azorenhochs morgen gegen Mittag den Großraum München erreichen und eine stabile Hochdrucklage für die nächsten paar Tage …«
    »Reicht das?«, fragte Carol und fügte, als ich stumm nickte, »Verbindung beenden« hinzu, worauf die junge Dame wieder verschwand. Ich streckte die Hand aus, worauf sie der in über fünfundzwanzig Ehejahren entstandenen telepathischen Verbindung gehorchend wortlos die Uhr vom Handgelenk nahm und sie mir reichte. Ich konnte abgesehen von drei winzigen Schlitzen – wohl das Mikro – an der Uhr nichts Besonderes feststellen, eben eine elegante Damenarmbanduhr.
    »Und das nennt sich Mobi?«, wollte ich wissen, und Carol nickte. »Ja, die gibt es seit etwa zwanzig Jahren, nur dass sie früher etwas klobiger waren und Leute wie ich lieber eine gewöhnliche Uhr und ein separates Telefon hatten. Das sah so ähnlich aus wie das Ding, das du im Auto vergessen hast. Aber inzwischen gibt es kaum mehr eine Uhr, in die nicht ein Mobi eingebaut ist.«
        
     

4
     
    Der Besuch bei meinem Freund Gustav Thadewald erforderte einiges an Vorbereitung. Zunächst stellte Carol die Telefonverbindung für mich her, nachdem wir uns vergewissert hatten, dass er auch in diesem Universum eine Professur für Physik in München innehatte. Gustav habe am Nachmittag Zeit, erklärte er, als wir nach dem Frühstück bei ihm anriefen. Dann versorgte Carol mich mit Bargeld – Eurotaler –, da meine Mastercard hier vermutlich nicht funktionieren würde. ›Verwaltungstechnisch‹ existierte ich schlicht und ergreifend nicht, deshalb ließ ich Personalausweis, Führerschein, Kreditkarten und alles, was man üblicherweise so in der Brieftasche mit sich rumträgt, sicherheitshalber zu Hause. Entsprechend trat ich die Fahrt nach München mit der Bahn an, da ich nicht riskieren wollte, bei einer zufälligen Polizeikontrolle ohne gültigen Führerschein alle möglichen Verwicklungen auszulösen. Carol versprach, den ›Verlust‹ meiner sämtlichen Papiere unterdessen zu melden und für Ersatz zu sorgen.
    Gustav sah genauso aus, wie ich das erwartet hatte, obwohl ich ihn in meiner Welt bestimmt fünf Jahre nicht mehr gesehen hatte. Der typische Professor mit Jeans, Wollpullover, Dreitagebart und einem Büro (falls man das winzige Kabuff so nennen wollte), das aussah, als habe hier soeben ein mittleres Erdbeben stattgefunden. Aber nachdem wir gemeinsam ein paar Papierstapel beiseitegeräumt, also sie auf andere getürmt hatten, konnte ich Platz nehmen.
    Ich kam gleich zur Sache und erklärte Gustav, ich sei dabei, einen Technovisions-Roman zu schreiben, und plane, diesen in einer Parallelwelt anzusiedeln.
    »Wohl einer, in der du dir als reicher Ölscheich eine Südseeinsel mit einem halben Dutzend Filmsternchen teilst?«, feixte er, wurde aber gleich ernst und fing an, mir etwas von Quantenschaum, Strings, Superstrings und derlei unverständlichem Zeug vorzulabern. Nach einer Weile schaffte ich es, ihn auf ein allgemeinverständlicheres Sprachniveau runterzuholen.
    »Na schön, dann stell dir das wie einen Flusslauf in einer weiten Ebene vor: Der Fluss fließt in seinem Bett, bis er an ein Hindernis, sagen wir einen umgestürzten Baum, kommt, der ihn dazu veranlasst, sein Bett zu verlassen und in eine andere Richtung zu fließen«, meinte er. »Oder um den Theorien mancher meiner Kollegen etwas praxisbezogener zu folgen: Da verfehlt 1878 die Kugel des Attentäters Kaiser Wilhelm I., dieser regiert noch weitere zehn Jahre unter der Fuchtel Bismarcks, sein Sohn Friedrich III. besteigt den Thron erst 1888 und hat keine Chance mehr, seine Sozialreformen durchzusetzen und die politische Annäherung zwischen uns und den Engländern zu betreiben. In der so entstandenen Parallelwelt kommt es dann vielleicht zum Krieg um die Vorherrschaft in Europa, die Engländer und die Franzosen tun sich gegen uns Deutsche zusammen, und am Ende ist der schöne Traum von einem geeinten Europa ausgeträumt …«
    »Jetzt versuchst du, meinen Job zu tun. Vergiss nicht, ich bin der Schreiberling und muss mir solche Dinge ausdenken«, unterbrach ich seinen Redefluss. »Ich möchte von dir wissen, ob es für meine Story eine einigermaßen hieb- und stichfeste wissenschaftliche Grundlage gibt oder ob ich mich lächerlich mache.« Wie scharfsinnig er das Geschehen in meiner Welt extrapoliert hatte, behielt ich

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