Nebenweit (German Edition)
hinter einen der im Hof verteilten Büsche und sah zum Eingangsportal hinüber und wartete, dass da jemand herauskam und in den Wagen stieg.
Meine Geduld wurde nicht lange auf die Probe gestellt, die Tür ging auf, im gleichen Augenblick öffnete sich auch die Wagentür, der Fahrer sprang heraus, rannte hinten um die Limousine herum und öffnete seinem Passagier die Tür. Der Mann, der aus dem Gebäude kam, trug wie der Fahrer eine grau-grüne Uniform, allerdings im Gegensatz zu dem Fahrer mit einem breiten, roten Streifen an der Hose und einen Ledermantel mit Pelzkragen, während der Fahrer eine schlichte Feldbluse trug. Der Wagenschlag wurde zugeschlagen, der Fahrer nahm wieder hinter dem Steuer Platz, seine Zigarette hatte er schon beim Aussteigen weggeworfen und ausgetreten, der Motor heulte auf und die Limousine rollte davon. Von meinem Busch vor Blicken aus dem Wagen geschützt, sah ich ihm nach, sah, wie er auf einen Torbogen zurollte und verschwand.
Erst jetzt bemerkte ich, dass zwei Männer mit dem Offizier – denn um einen solchen handelte es sich zweifellos, an so viel erinnerte ich mich noch aus meiner weit zurückliegenden Zeit beim ›Bund‹ – ins Freie getreten waren. Ihre Stimmen drangen bis zu mir herüber.
»Der Alte war ja mächtig sauer«, meinte der eine, ein Leutnant, soweit ich erkennen konnte, auch wenn die Uniform sich stark von der unterschied, die ich während meiner Bundeswehrzeit getragen hatte. Auch die schwarzen Kragenspiegel fielen mir auf, und ich erinnerte mich vage an das, was mein Vater mir über die SS-Leute erzählt hatte, um die er, wie er mir erklärt hatte, immer einen weiten Bogen geschlagen hatte.
»Ich schätze, das hat mit dem Einsatz gestern Nacht zu tun, die Jungs waren ja ziemlich zugerichtet. Ich hab durch die Tür mitgekriegt, wie der Alte sie fertiggemacht hat. ›Sich von ein paar Zivilisten zusammenschlagen zu lassen! Unerhört!‹, hat er getobt. ›Und dann noch den Gefangenen entwischen zu lassen! Am liebsten würde ich euch Hampelmänner an die Wand stellen lassen. Ihr meldet euch beim OvD zum Strafdienst. Ich werde mir noch etwas für euch überlegen. Jetzt raus hier!‹ Ich konnte gerade noch ins Klo verschwinden, sonst hätte er mich gesehen …«
Der Uniformierte holte ein Päckchen Zigaretten heraus, bot eine seinem Kollegen an, der aber ablehnte, und zündete sich eine an. Ich duckte mich unwillkürlich, als sein Feuerzeug aufflammte, hätte mir das aber sparen können, denn die beiden waren ganz in ihre Unterhaltung vertieft. Es ging um Belanglosigkeiten, den Appell am Nachmittag, bei dem der eine, Konrad hieß er, wie ich dem Gespräch entnehmen konnte, wegen eines schlecht sitzenden Koppels aufgefallen war. Dann wechselte die Unterhaltung zu den Freizeitaktivitäten der beiden über, und ich erfuhr einiges über die Qualitäten der örtlichen Weiblichkeit im Bett und auch sonst wo. Sonderlich interessant war das nicht, sodass ich meine Aufmerksamkeit mehr dem Burghof widmete. Die zweite Limousine, diese ohne Stander und auch nicht so eindrucksvoll wie der dicke Mercedes des Offiziers, stand ein Stück abseits, und man konnte keinen Fahrer erkennen. Die Fenster der Burg waren großteils beleuchtet – seltsamerweise wurde mir erst jetzt bewusst, dass es Nacht war –, und abgesehen von den Stimmen der beiden Uniformierten war kein Laut zu hören. Die dicken Mauern verschluckten offenbar alle Geräusche. Ich überlegte, ob ich es wagen sollte, meine schützende Deckung zu verlassen, was mir angesichts der beiden Uniformierten jedoch zu riskant erschien.
Ich trat einen Schritt zurück und muss dabei wohl auf einen morschen Zweig getreten sein, der mit lautem Knacken zerbrach. Konrad zuckte zusammen, hob warnend die Hand, als sein bislang namenloser Kamerad etwas sagen wollte, und sah zu mir herüber. Ich erstarrte in meiner Bewegung und spürte, wie es mir kalt über den Rücken lief. Obwohl ich nicht wusste, wie ich hierher gekommen war, war mir klar, dass ich hier nichts zu suchen hatte. Und mit Uniformierten, noch dazu solchen, deren Vorgesetzte eine Naziflagge als Stander benutzten, wollte ich nichts zu tun haben …
In dem Augenblick fuhr ich im Bett in die Höhe und warf dabei das Wasserglas auf dem Nachttisch um.
»Bernd, was ist los?«, rief Carol, die ich damit geweckt hatte, erschreckt.
»Nichts, ich habe bloß geträumt. Schlaf weiter«, beruhigte ich sie, worauf sie ihre Nachttischlampe wieder ausknipste und sich zur Seite drehte.
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