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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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hielt, und verspritzte dabei Kaffee auf den Tisch. Aber das schien sie gar nicht zu bemerken, so erregt war sie. »Du willst wohl von hier verschwinden? Wie? Dabei hast du doch behauptet, Dupont habe erklärt, das sei für Leute wie uns unmöglich. Das –«
    Sie verstummte, wurde blass. »Nein, natürlich nicht. Sonst wärst du ja nicht hier«, stammelte sie dann. »Und Bernhard wäre nicht –« Sie verstummte erneut, rang sichtlich um Fassung. Ich blieb stumm, wartete ab. In den letzten Wochen hatte ich gelernt, dass ihre Reaktionen exakt dieselben wie die jener Carol waren, die jetzt vielleicht am gleichen Tisch saß, nur ein ganzes Universum weit entfernt – oder einen Lidschlag, je nachdem.
    Und die musste Probleme mit sich selbst verarbeiten, ehe sie ansprechbar war. Ein oder zwei endlos lange Minuten vergingen, in denen beide Carols etwa gleich weit von mir entfernt waren. Dann wandte sich ihr Blick wieder mir zu, schien mich wahrzunehmen. »Und was war?«, fragte sie, wieder ganz ruhig.
    »Wenn ich das nur wüsste! Ich habe jedenfalls den Raum nicht verlassen, sagt Frau Beauchamp, aber ich hatte ein paar Augenblicke lang das Gefühl, auf einer Wiese an einem Waldrand zu stehen, in einer mir fremden Landschaft. Dann war alles wieder vorbei. Vorher hatte sie mich mit einem Pendel in Hypnose versetzt, ich nahm einen grellen Blitz wahr, sah die Wiese, dahinter einen Wald – und dann saß ich wieder vor dem Bildschirm, vor dem alles angefangen hatte. Sie konnte mir das auch nicht erklären, allenfalls mit der Vermutung, dass ich irgendwie das R-Gen in mir habe – das ist dasjenige, das einem die Fähigkeit zum ›Rutsch‹ verleiht –, weil vielleicht irgendeiner meiner Vorfahren ein Angehöriger ihres Volkes war. Schließlich bewegen sich diese Leute ja seit über zweihundert Jahren in unserer Mitte.«
    »Du meinst –«
    »Ich meine gar nichts«, fiel ich ihr ins Wort. »Ich weiß genauso viel wie du und zerbreche mir den Kopf, was das zu bedeuten hat. Ich weiß nur, dass ich anschließend todmüde war, ein paar Stunden im Ruheraum der Klinik geschlafen habe und, das hast du ja selbst miterlebt, gestern beinahe noch während des Abendessens eingeschlafen wäre und alle Mühe hatte, ins Bett zu kommen. Das bedeutet seit gestern Nachmittag sechzehn Stunden Schlaf, und ich bin wirklich froh, dass ich jetzt aufgewacht bin. Falls ich also ein paar Sekunden woanders war, hat mich das mächtig angestrengt. Hoffentlich schlafe ich nicht wieder ein, wenn Dupont hier ist«, fügte ich grinsend hinzu. »Ich will dich schließlich nicht mit ihm allein lassen. Wo er doch solchen Eindruck auf dich macht. Ich könnte da leicht eifersüchtig werden.«
    Carol lächelte und drohte mir dann mit dem Finger. »Du hast wohl ein schlechtes Gewissen«, meinte sie dann, »wer weiß, wie du es angestellt hast, diese Labortante rumzukriegen.« Sie griff wieder nach ihrer Tasse. »Ich schlage vor, du gehst jetzt mit Charlie Gassi. Die frische Luft wird dir guttun. Von wegen dumme Gedanken und so … aber in einer halben Stunde solltest du wieder hier sein, da hat Herr Dupont sich angesagt und du willst mich ja nicht mit ihm allein lassen.«
    ***
     
    Das hatte ich allerdings doch nicht verhindern können, denn als ich aus dem Waldstück oberhalb unseres Grundstücks trat, sah ich Duponts silbergrauen Audi in der Einfahrt stehen. Sein Besitzer war wieder wie aus dem Ei gepellt: graue Flanellhose, auf Hochglanz polierte, braune Schnürschuhe, dezent kariertes Hemd, gelber Pullunder, groß kariertes Sakko im Norfolkstil, wie aus einem britischen Landhaus getreten. Er und Carol schienen sich prächtig zu unterhalten, ich hörte ihre Stimmen schon im Flur.
        Als ich ins Zimmer trat, erhob er sich und kam mir mit ausgestreckter Hand entgegen. »Herr Lukas, wie geht es Ihnen? Haben Sie Ihr kleines Abenteuer gut überstanden? Ich wette, Sie haben heute Nacht gut geschlafen.«
    Ich muss ihn wohl ziemlich entgeistert angesehen haben, denn er lachte laut. »Schauen Sie nicht so. Wenn man das nicht gewöhnt ist, nimmt einen so ein ›Rutsch‹ ziemlich mit.«
    »Moment mal, ›Rutsch‹, sagen Sie?«, unterbrach ich seinen Redeschwall. »Es hat doch nur ein paar Sekunden gedauert. Und überhaupt, woher wissen Sie –«
    »Alles schön der Reihe nach. Nein, es war natürlich kein ›Rutsch‹ in dem Sinn, wie Sie das meinen, nur eine Art Vision, meinetwegen auch ein Wahrtraum. Jedenfalls ein ziemlich deutlicher Hinweis darauf, dass Sie einen

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