Nebenweit (German Edition)
einer halben Stunde weiß, dass sie gar nicht für Sie tätig waren, sondern von Ihnen ebenfalls belauscht wurden. Das klingt ja hochinteressant. Und dass Sie selbst in mehr als eine Zeitlinie rutschen können, war mir bisher auch nicht bewusst. Aber es scheint doch so zu sein, oder?«
»Ja, da habe ich mich bisher bewusst etwas missverständlich ausgedrückt. Schließlich mussten wir einander ja erst ein bisschen besser kennenlernen«, meinte Dupont mit einem verlegenen Achselzucken. »Es ist so, wie ich es gesagt habe. Diese Männer sind für Antolax’ Gruppe tätig. Wir beobachten sie schon eine ganze Weile. Und sie uns«, fügte er hinzu und verzog dabei das Gesicht. »Antolax hatte sich vor ein paar Jahren, da war er in der Nazi-Hierarchie noch nicht so weit aufgestiegen, hier einen zusätzlichen Stützpunkt schaffen wollen. Seinen Schwerpunkt hatte er schon damals in der Germaniawelt, aber anscheinend wollte er sich hie und da in einer geruhsameren Welt erholen.
Es dürfte Sie interessieren, dass er einer der Vorbesitzer dieses Hauses hier war. Jetzt gehört es – übrigens sowohl in der Europa- wie in der Amerikawelt – jeweils von seiner Gruppe finanzierten Organisationen. Die sind so geschickt getarnt und verschachtelt, dass das niemandem auffällt. Wir hatten damals noch gewisse Kontakte, trotz aller Gegensätze in unserer Auffassungen, und da war es ihm vielleicht ganz willkommen, hier sozusagen Landsleute zu haben.«
»Antolax ist unser Vermieter?«, unterbrach ich ihn. »Das ist ja noch schöner! Steckt da möglicherweise eine Absicht dahinter? Da könnte man ja –« Ich unterbrach mich selbst, weil mir plötzlich ein Gedanke gekommen war. »Die beiden Mieter vor uns, die hier verschwunden sein sollen … hat das etwa mit ihm zu tun?«
Dupont nickte. »Durchaus vorstellbar, dass man bewusst Leute wie Sie als Mieter bevorzugt, um sie leichter entführen und vielleicht irgendwie indoktrinieren zu können. Aber was die verschwundenen Menschen angeht, habe ich eine andere Theorie. Ich glaube, das waren von vornherein Tradis, die hier stationiert waren und die beim ›Rutsch‹ unvorsichtig waren. Antolax hat ja auch versucht, Spitzel in mein Krankenhaus einzuschleusen und diesen Geräteschuppen als eine Art Schleuse zu benutzen. Ich bin da ziemlich schnell hellhörig geworden und habe von meinen Leuten dort Abhörmikrofone anbringen lassen. Auf die Weise habe ich erfahren, dass Antolax’ Absichten nicht so harmlos waren, wie ich zunächst angenommen hatte. Und den Kontakt mit Ihnen verdanke ich ja auch dieser Hütte«, fügte er hinzu. »Übrigens hatte ich vor, auch Ihr Haus ›verwanzen‹ zu lassen. Aber dann haben wir uns kennengelernt, und damit hat sich das als überflüssig erwiesen. Vermutlich sogar als unmöglich«, fügte er mit einem schiefen Lächeln hinzu.
»Dann waren das also nicht Ihre Leute«, schaltete sich jetzt Carol ein. »Heißt das auch, dass Bernd«, sie deutet dabei auf mich, »mit Bernhard und einem von Antolax’ Leuten kollidiert ist und Sie in Wirklichkeit gar nicht wissen, wer dieser Jemand war?«
Ich bemerkte Duponts fragenden Blick und nickte leicht, nickte, obwohl ich Carol bis zur Stunde verschwiegen hatte, dass Bernhard nicht etwa in meine Zeitlinie gerutscht, sondern offenbar mit unbekanntem Ziel verschwunden war.
»Das ist richtig«, gab er zu. »Ich muss gestehen, dass ich in dem Punkt bisher nicht ganz ehrlich zu Ihnen war. Wir wissen nicht, wer das war, und wir haben bisher auch keinen Kontakt zu Bernds Pendant. Noch konkreter gesagt – wir wissen nicht, wo er sich derzeit befindet. Aber es ist sicher nur eine Frage der Zeit …«
Weiter kam er nicht. Carol wurde bleich, und ich sah, wie ihre Hand zitterte, als sie vorsichtig ihre Tasse abstellte. »Aber … ich … ich … hatte bisher geglaubt … ich meine … ich hatte angenommen, er habe einfach mit Bernd hier … wie soll ich sagen … den Platz getauscht. Hatte angenommen, er sei dort, wo Bernd herkommt, bei …« Sie verstummte, sah mich mit großen Augen an.
Dupont kam mir zu Hilfe. Er schien zu ahnen, dass ich Carol über diese einigermaßen neue Erkenntnis noch im Unklaren gelassen hatte. »Uns ist das auch erst seit Kurzem bewusst«, log er, eine Notlüge, die hoffentlich sein Gewissen nicht belastete und mir aus der Klemme half. »Ich habe in der Amerikawelt recherchieren lassen und erfahren, dass Bernhard, Ihr Ehemann Bernhard, seit einem knappen Monat als vermisst gemeldet ist und
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