Nebenweit (German Edition)
Leite.« Den ›Bernhard‹ hatte ich mir angewöhnt, um irgendwelche Verwicklungen zu vermeiden.
»Ach, dann sind Sie der neue Mieter dort oben; freut mich, Sie kennenzulernen. Ich bin Horst Schreiber. Meiner Frau und mir gehört das Hotel Gabriele in der Bründlsbergergasse, vielleicht haben Sie schon davon gehört.«
Das hatte ich, Carol und ich hatten dort schon zu Abend gegessen und auch einmal Freunde aus den USA dort untergebracht, die uns besucht und den Wunsch geäußert hatten, nicht bei uns im Haus, sondern, wie sie sagten, ›unabhängig‹ zu wohnen. Die Küche im Gabriele war ausgezeichnet. Das sagte ich Schreiber auch, davon ausgehend, dass auch dies eine der Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Welten war, und er strahlte. »Und es macht Ihnen auch wirklich keine Umstände?« Typisch deutsch, dachte ich mit der ganzen Überheblichkeit langjähriger Auslandsaufenthalte und versicherte ihm, dass es mir ein Vergnügen sein würde.
Mein Mercedes stand noch da, wo ich ihn abgestellt hatte, und setzte sich mit dezentem Summen auch sofort in Bewegung, als ich den Startknopf drückte. »Und Sie fühlen sich dort oben auch wohl?«, erkundigte sich Schreiber in einem Tonfall, der erkennen ließ, dass ihn das wunderte. »Ich meine, Sie haben ja sicherlich von den Leuten gehört, die vor Ihnen dort gewohnt haben … Das Haus hat ja einen gewissen Ruf …« Jetzt merkte er, dass das möglicherweise eine taktlose Bemerkung gewesen war, und er schlug sich mit der flachen Hand auf den Mund. »Entschuldigen Sie bitte, ich wollte nicht unhöflich sein …«
»Nein, schon gut, ich habe die Gerüchte ja auch schon gehört – da hatten wir freilich den Mietvertrag schon unterschrieben und wohnten bereits drei Wochen dort. Angeblich soll es in dem Haus ja spuken. Aber davon haben wir noch nichts gemerkt. Erzählen Sie. Das interessiert mich wirklich.«
»Na ja, nicht gerade Spuk. Aber der Mann, der vor Ihnen dort gewohnt hat, ein pensionierter Universitätsprofessor, er wohnte ganz allein dort, der ist angeblich am helllichten Tag auf einem Spaziergang durch den Wald verschwunden. Zwei Kinder behaupten, sie hätten ihn gehen sehen, und dann wäre er plötzlich in einem blauen Blitz verschwunden. Einfach so. Aber Kinder haben ja manchmal eine blühende Fantasie. Besonders bei all dem Zeug, das sie heute im Fernsehen zu sehen bekommen«, wiegelte er ab.
In einem blauen Blitz, dachte ich und erinnerte mich an meinen Traum und das bläulich violette Flimmern, das mir dabei aufgefallen war. »Und der Mann ist seitdem wirklich verschwunden?«, fragte ich Schreiber interessiert. »Mit oder ohne blauem Blitz?« Ich sah zu ihm hinüber, und er wirkte ganz ernst, als er nickte.
»Ja, die Polizei hat wochenlang nach ihm gesucht. Ohne Ergebnis. Aber das ist nicht alles, Einen Monat später soll der nächste Bewohner, diesmal ein Unternehmensberater, der das Haus als Zweitwohnsitz nutzte, mitten in seiner Einfahrt verschwunden sein. Sein Porsche stand noch tagelang vor der Garage, er wollte offenbar gerade wegfahren. Die Polizei nahm die Suche auf, diesmal kam die Vermisstenanzeige von seiner Firma. Er hätte am Nachmittag in München an einer Besprechung teilnehmen sollen, und seine Sekretärin hat die Polizei eingeschaltet, als sie keine Verbindung mit seinem Mobi bekam und man auch sein Mobi nicht orten konnte. Sie wissen ja wahrscheinlich, dass man die Dinger überall auf der Welt lokalisieren kann«, schob er ein, und ich nickte. »Also, diesmal hatte keiner gesehen, wie er verschwand. Er war einfach weg, und das eigentliche Rätsel ist wie gesagt das mit dem Mobi.« Schreiber hielt inne, legte mir die Hand auf den Arm. »Aber ich will Ihnen keine Angst machen. Schließlich leben Sie schon eine ganze Weile dort oben und fühlen sich ja offensichtlich wohl.«
Das bestätigte ich ihm, wenn es auch seit ein paar Tagen keineswegs mehr der Wahrheit entsprach. Und was ich gerade gehört hatte, trug auch nicht gerade zu einem solchen Wohlgefühl bei. Ganz im Gegenteil.
»Wie gefällt es denn Ihrer Frau bei uns?«, setzte Schreiber das Gespräch fort, sichtlich, um mich nicht weiter mit Geschichten über verschwundene Mieter zu beunruhigen.
Ich tat ihm den Gefallen. »Keine Sorge, die ist nicht verschwunden, die besucht nur gerade ihre Familie in Amerika«, erklärte ich. »Sie fühlt sich hier ausgesprochen wohl. Wir haben ja lange Zeit in München gelebt, aber hier sei die Luft viel besser, erklärt sie mir bei jeder
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