Nebenweit (German Edition)
gerade etwas eingefallen. Ich muss noch einmal zum Krankenhaus zurück«, erklärte ich und wendete. »Hoffentlich ist Frau Dr. Weber noch da.«
»Wieso, was ist denn?«
»Erkläre ich dir nachher«, vertröstete ich sie und hantierte am Navigationsgerät herum, um mein letztes Ziel erneut aufzurufen.
Ich hatte Glück. Dr. Weber war gerade im Gehen. Ich sah, wie sie auf einen kleinen Wagen einer mir unbekannten Marke auf dem Angestelltenparkplatz zuging, und bremste dicht vor ihr. »Entschuldigen Sie, wenn ich Sie hier so überfalle«, sagte ich im Aussteigen. »Ich hätte noch eine Frage. Hat sich außer der Polizei und mir noch jemand für Ihren Patienten interessiert? Sie wissen schon, für diesen Mortimer, über den wir uns heute Vormittag unterhalten haben …«
Sie sah mich an, überlegte, nickte dann. »Ja, da war gestern noch jemand vom Konsulat da. Ich habe mich noch gewundert, dass die sich solche Mühe machen, wo doch eigentlich klar war, dass der Mann nichts mit ihnen zu tun hat. Er hat mir so ziemlich die gleichen Fragen gestellt wie Sie, aber ich konnte ihm auch nichts anderes sagen als Ihnen.«
»Erinnern Sie sich noch, wie der Mann ausgesehen hat?«
Die Frage schien sie zu verwundern. »Wieso wollen Sie das wissen?«, erkundigte sie sich.
Das war natürlich ungeschickt gewesen, ich hätte mir die Zunge abbeißen können. »Weil ich im Konsulat jemand kenne. Als Journalist kommt man herum«, versuchte ich ziemlich lahm zu retten, was zu retten war.
»Ja, das kann ich mir denken. Warten Sie … er war mittelgroß. Ein gut aussehender, sehr höflicher Mann, elegant gekleidet, dunkelgrauer Anzug, Hemd, Krawatte.« Sie schien mit sich zufrieden, dass ihr Gedächtnis so gut funktionierte, und musterte mich erwartungsvoll.
»Wie alt?«, setzte ich das Verhör fort.
Sie überlegte, konzentrierte sich, musterte mich prüfend. »Also, jünger als Sie. Ich meine, nicht dass Sie alt aussehen«, lächelte sie, beinahe kokett. »So um die vierzig, würde ich sagen. Aber mehr weiß ich wirklich nicht. Ist das Ihr Bekannter?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Lester ist ein Altersgenosse von mir, wir haben ein Semester auf der gleichen Uni studiert«, log ich. Innerlich triumphierte ich. Die Beschreibung passte haargenau auf Dupont. »Sonst hat sich niemand für ihn interessiert, oder?«, bohrte ich nach. »Ich meine Presse oder Fernsehen. Die sind ja in solchen Fällen immer gleich zur Stelle. So wie ich«, grinste ich ein wenig verlegen.
»Nein, Sie sind bis jetzt der Einzige. Und, nochmals, bitte erwähnen Sie nicht, von wem Sie Ihre Informationen haben, falls Sie einen Artikel über den Mann schreiben. Wär’s das dann? Ich muss jetzt weg, meine Tochter von der Schule abholen …«
Ich bedankte mich, verabschiedete mich und wiederholte mein Versprechen, ihr einen Abdruck meines Artikels zukommen zu lassen, und stieg wieder ein.
Carol hatte unser Gespräch aufmerksam verfolgt. »Du meinst, das war Dupont?«, fragte sie, kaum dass ich die Tür hinter mir geschlossen hatte. »Die Beschreibung passt doch exakt auf ihn.«
»Genau das. Aber er hat mit keinem Wort erwähnt, dass er sich vor Ort informiert hat. Er sprach nur vom Fernsehen. Dabei hatte er keinen Anlass, mir das zu verschweigen. Falls du mit mir wetten willst, dass er bei Mortimers Verschwinden nicht die Hand im Spiel hatte, verdopple ich meinen Einsatz!«
Ich war über die Maßen mit mir zufrieden, und das muss man mir wohl angemerkt haben, denn als wir eine Weile dahingerollt waren, jetzt wieder Richtung Unterwössen, meinte Carol: »Wenn du dich jetzt genügend bewundert hast, könntest du mir ja vielleicht erzählen, was du im Krankenhaus erfahren hast. Ich habe mir die ganze Zeit den Kopf zerbrochen, was es mit diesem geheimnisvollen Mann auf sich hat.«
»Entschuldige, dazu war noch gar keine Gelegenheit. Also dieser Mann, kein Zweifel, dass der Mann aus meiner Zeitlinie kommt. Ebenso kein Zweifel, dass Dupont das spitzgekriegt und sich aus erster Hand informiert hat. Anschließend hat er es irgendwie gedeichselt, den Mann aus dem Krankenhaus rauszuholen. Weiß der Himmel, wo er ihn versteckt hat. Aber das würde er natürlich entschieden leugnen.«
Carol hatte mir zugehört, ohne mich zu unterbrechen.
Sie war eine gute Zuhörerin, das hatte ich immer schon an ihr geschätzt und schätzte es in dieser Situation besonders. »Und du meinst, du bist in Gefahr? Ich meine, in Gefahr, dass dieser Dupont es irgendwie auf dich abgesehen
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