Nebenwirkungen (German Edition)
sammelten Wagenladungen weggeworfener Büchsen und schruppten die Holzstege wieder auf Hochglanz.
»Hast du dich dieses Jahr nicht angemeldet?«, wollte Samantha wissen, denn ihr Junior gehörte zum harten Kern der umweltbewussten Truppe, seit er in London arbeitete.
»Doch, am Nachmittag. Mein Hochdruckreiniger ist schon reserviert.« Sie lächelte und schaute gedankenverloren aus dem Fenster.
»Kann ich noch etwas für dich tun?«, fragte er, da er merkte, dass sie etwas bedrückte.
»Nein, nein, danke. Ich mache mir nur ein wenig Sorgen um Mom.« Er nickte verständnisvoll und wandte sich zur Tür. Er wusste, dass Samanthas Mutter den Verlust ihres Gatten zwar gut verarbeitet hatte, nicht zuletzt dank ihrer neuen Freundin Rose in Canterbury, doch so ganz hatte sie sich wohl noch nicht an ihr neues Leben gewöhnt. Er war schon an der Tür, als er sie murmeln hörte:
»Sie muss heute in die Röhre.« Überrascht drehte er sich um.
»Röhre? Du meinst, sie wird untersucht? Was hat sie denn?«
»Ich hoffe, nichts Schlimmes. Seit der Schiffsreise leidet sie öfter unter Kopfschmerzen, immer auf der linken Seite, so habe ich sie zu einem Arztbesuch gedrängt. Der Spezialist meinte, eine Tomographie würde Klarheit schaffen. Sie hat natürlich eine panische Angst vor dieser Untersuchung.«
»Eine MRT, Magnetresonanztomographie?«, rief Bastien aufgeregt. »Deine Mutter ist doch auch gegen die Seuche geimpft worden, oder?«
»Ja, warum, was ...« Er unterbrach sie entsetzt.
»Sam, du musst das sofort stoppen. Sie darf nicht in diese Röhre!«
»Wieso - ich kann nicht - der Termin ist um zwölf.« stammelte sie bestürzt. Bastien schaute auf seine Uhr: zehn Uhr fünfunddreißig.
»Ruf sie an, du hast keine Wahl!« Hastig versuchte er, ihr das Problem zu schildern. »Ich habe in letzter Zeit immer mehr Hinweise gefunden, dass die synthetische DNA empfindlich reagiert auf starke Magnetfelder. Es sind schon einige Patienten gestorben nach einer MRT, weil die Blockierung der Prionenproduktion plötzlich unwirksam wurde. Die heutigen Apparate arbeiten mit sehr starken Magnetfeldern, sieben Tesla oder so!«
Samantha verstand nicht die Hälfte dessen, was Bastien ihr atemlos zu erklären versuchte, aber sie hatte begriffen, dass ihre Mutter in Lebensgefahr schwebte. Nervös hieb sie auf die Tasten ihres Telefons und wartete ungeduldig, doch sie hörte nur die Stimme des Anrufbeantworters. Wahrscheinlich hatte ihre Mutter das Handy im Spital ausgeschaltet.
»Verflucht, sie antwortet nicht.«
»In welchem Spital ist sie?«, fragte Bastien ruhig.
»St. Mary's.«
»Das ist in der Nähe der Paddington Station?« Sie nickte und drückte zum dritten Mal die Wahlwiederholungstaste, während er Adresse und Telefonnummer des Spitals abfragte. Er machte eine Notiz und gab ihr den Zettel.
»Ich muss zu ihr, rufst du mir bitte ein Taxi? Ich versuche inzwischen, den Arzt zu erreichen.« Er warf einen kurzen Blick auf die Uhr und schüttelte den Kopf.
»Zehn nach elf. Das wirst du nie schaffen. St. Mary's liegt fast am anderen Ende der Stadt, und die Straßen sind chronisch verstopft ...« Sie unterbrach ihn zornig.
»Ich muss zu ihr, koste es, was es wolle, Scheiße, ich kann doch nicht einfach warten und zusehen, wie sie krepiert.« Sie war völlig aufgelöst.
»Wir haben nur eine Chance. Wir nehmen mein Bike. Du kannst unterwegs anrufen. Komm!« Er überhörte ihren Protest, stürmte aus dem Büro, und sie folgte ihm schließlich zögernd. Für Notfälle hatte er stets einen Ersatzhelm in seinem Schrank, und das hier war weiß Gott ein Notfall. Das Telefon am Ohr rannte Samantha hinter ihrem Junior zum Aufzug. Bastien legte sich inzwischen die Route zurecht, die er einschlagen wollte. Ein kleines Kunststück, war doch das Straßennetz der Megacity mit neuralgischen Engpässen gepflastert. Schnelle Schleichwege gab es zwar, doch die ausgeklügelt und geradezu zynisch angelegten Einbahnstraßen machten es nahezu unmöglich, sie zu benutzen. Frustriert steckte Samantha das Telefon ein, als sie auf die Ducati stieg. Es war ihr nicht gelungen, den zuständigen Arzt zu sprechen.
»Alles O. K.? fragte Bastien.
»Klar. Zeig, was du drauf hast, Kleiner!«, antwortete sie grimmig. Sie hatte seit ihrer Collegezeit nicht mehr auf einem Motorrad gesessen, und schon gar nicht auf einer solchen Rennmaschine, aber sie war zu allem entschlossen, um ihrer Mutter zu helfen. Bastien ließ die Maschine aufheulen, kurvte zur Ausfahrt der
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