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Nebenwirkungen (German Edition)

Nebenwirkungen (German Edition)

Titel: Nebenwirkungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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ihnen konnten nur bedeuten, dass die Polizei den Zugang zum Viktoriakreisel vor dem Palast der Königin am Ende der Mall gesperrt hatte. Das ist das Ende , schoss es Samantha durch den Kopf, doch er riss die Maschine nach rechts herum, überquerte die Gegenfahrbahn mit quietschenden Reifen und raste weiter auf dem breiten Gehsteig hinter der Allee. Spaziergänger und Jogger sprangen erschreckt zur Seite, beinahe rammten sie eine entsetzte junge Frau mit Kinderwagen.
    »Entschuldigung«, murmelte Samantha hilflos und klammerte sich noch fester an ihren Fahrer. Auf Fußwegen gelang es ihnen, das Victoria Memorial zu umrunden, bevor Bewegung in die wartenden Polizeibeamten kam. Mit hoher Geschwindigkeit näherten sie sich nun dem Hyde Park Corner, eine ganze Kolonne blinkender und heulender Polizeifahrzeuge hart an ihren Fersen.
    Bastien konzentrierte sich eisern auf den Weg vor ihnen, hatte weder Ohren noch Augen für alles andere, was um sie herum geschah. Samantha glaubte schon, der erste Verfolger hätte sie erwischt, als sie die Straße verließen und sich hupend an einer schreienden Touristengruppe vorbei durch das Tor in den Fußgängerbereich des Hydeparks zwängten, wohin ihnen keiner der Polizeiwagen folgen konnte. Sie atmete auf.
    »Gut gemacht, Kleiner!«, rief sie begeistert. Er grinste und hoffte auf ein letztes Stück freie Fahrt. Aber würden sie es bis zwölf schaffen? Er drehte den Kopf leicht nach hinten und fragte:
    »Wie spät?«
    »Noch zehn Minuten«, antwortete sie, obwohl nach ihrer Uhr nur noch acht übrig blieben. Zuwenig, fürchtete sie, doch sie gab die Hoffnung nicht auf.
    »Scheiße«, rief Bastien plötzlich. »Achtung, festhalten!« Auf der Serpentine Road kam ihnen eine Patrouille zweier berittener Bobbies entgegen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als querfeldein auszuweichen, aber in dieser Disziplin waren die Pferde Meister, wie er schnell feststellte. Der Abstand zwischen ihnen verringerte sich zusehends, bis er wieder einen befestigten Weg unter den Rädern hatte. Er beschleunigte kräftig, der Kies spritzte unter den Pneus weg, und sie ließen die Vierbeiner rasch hinter sich. Parallel zur Bayswater Road rasten sie nach Westen, erreichten unbehelligt die Victoria Gate im Norden des Hyde Park, kreuzten die Ausfallstraße und entwichen zwischen die Häuserblocks rund um den Sussex Square, bevor die Berittenen sie wieder entdeckten. Die Uhr einer nahen Kirche schlug zwölf, als Bastien vor dem Haupteingang des St. Mary's Hospital anhielt.
    »Zu spät, verflucht! Aber danke für den netten Ausflug«, brummte Samantha.
    »War mir ein Vergnügen, Madam«, antwortete er grinsend. »Du wirst es schaffen. Mach schon. Ich verschwinde hier besser.« Sie rannte zum Eingang, während er wieder wegfuhr. Sein Plan war, auf Umwegen und völlig regelkonform zur nahen Paddington Station zu gelangen, um dort die auffällige Maschine der Bahnpost zu übergeben. Sollte sie allein und diskret nach Greenwich reisen. Meine Fresse, wenn Amélie diesen Höllenritt gesehen hätte , dachte er erregt. Kein Wort wird sie mir glauben .
    Samantha rannte den Flur hinunter zum Diagnostic Imaging Centre, das glücklicherweise nicht weit entfernt im Erdgeschoss lag.
    »Sophie Herbert, ist sie schon im MRT?«, rief sie, als sie ins Sprechzimmer der Abteilung stürmte, ohne auf die Proteste des Personals zu hören.
    »Was fällt Ihnen ein, Sie können hier nicht ...« schimpfte die Stationsschwester, eine hagere, ältere Frau mit spitzem Kinn und schlechten Zähnen.
    »Und wie ich das kann, Schätzchen. Ich bin Samantha Herbert, die Tochter von Sophie Herbert, die hier um zwölf Uhr in die Röhre sollte und dort sterben wird. Sie muss sofort raus. Ist sie da drin?« Mit stechendem Blick fixierte sie die verblüffte Schwester und deutete auf die Tür, hinter der sie das Behandlungszimmer vermutete. Die schockierte Frau fand keine Worte mehr, nickte nur schwach und musste hilflos zusehen, wie Samantha die Tür zum Behandlungszimmer aufriss.
    »Sam, bist du das? «, rief eine bekannte Stimme hinter ihr, bevor sie eintreten konnte. Sie drehte sich um und sah ihre Mutter strahlend auf sie zukommen.
    »Mom, oh mein Gott! Du bist nicht in der Röhre.« Sie umarmten einander innig, und Samantha drückte ihre Mutter so fest an sich, dass sie kaum Luft bekam.
    »Sam, was ist denn los? Du benimmst dich ja, als sei ich von den Toten auferstanden. Ich war doch bloß kurz für kleine Mädchen.«
    »Auferstanden, genau das bist

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