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Nebenwirkungen (German Edition)

Nebenwirkungen (German Edition)

Titel: Nebenwirkungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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Tiefgarage und brauste kurz darauf auf der Westferry Road nach Norden. Auf der West India Dock Road verließen sie die Isle of Dogs. Der Verkehr rollte flüssig bis in die Nähe des Nadelöhrs von Aldgate. Bastien versuchte sich ein, zwei Minuten an die Regeln zu halten, doch sie kamen nicht mehr vom Fleck. So konnte es nicht weitergehen.
    »Achtung, halt dich fest!«, rief er nach hinten, scherte abrupt nach links aus der Kolonne und drehte das Gas auf. Haarscharf flitzen sie zwischen Bordstein, Kandelabern und den stehenden Autos hindurch, bis ein weiteres Bike die Durchfahrt versperrte. Bastien riss die Maschine kurzerhand rechts herum durch die Lücke hinter einem der roten Busse und überholte die nächsten paar Wagen der Kolonne hart an der Grenze zur Gegenfahrbahn. Samantha kauerte kreidebleich auf dem Rücksitz, klammerte sich wie eine Ertrinkende an ihren wahnsinnigen Fahrer und schloss schließlich die Augen. In rasanter Zickzackfahrt näherten sie sich der großen Kreuzung, auf der ein überforderter Bobby das ganz alltägliche Chaos zu bändigen suchte. Als er inmitten der zähflüssigen, stinkenden Verkehrslawine den gelben Flitzer mit hoher Geschwindigkeit auf sich zuschießen sah, vergaß er vor Schreck, in seine Trillerpfeife zu blasen. Bastiens Maschine hatte die Kreuzung überquert und sich schon elegant in den zügig fließenden Strom von Fahrzeugen in der Leadenhall Street eingefügt, als die schrillen Pfiffe endlich ertönten. Samantha hörte eine Polizeisirene, drehte den Kopf, so gut es ging und sah im Augenwinkel weit hinter sich ein Blaulicht aufblitzen.
    »Polizei, sie verfolgen uns!«, schrie sie. Er hatte verstanden, nickte und begann wieder, halsbrecherisch links und rechts zu überholen, Raum zu schaffen. Die Taktik hatte Erfolg, ihre Verfolger fielen rasch zurück, doch er machte sich keine Illusionen. Sie würden Verstärkung anfordern, sie abfangen, wenn er sich nicht schnell etwas einfallen ließ. Sie hatten die Fleet Street passiert und brausten durch den Strand. Die weithin sichtbaren roten Ziffern einer Digitaluhr brannten ihre glühende Botschaft in sein Gehirn: elf Uhr vierzig; noch zwanzig Minuten. Sie schafften es unbehelligt bis ans westliche Ende des Strand, doch auf der Höhe des Trafalgar Square tauchten plötzlich zwei Wagen mit Blaulicht und heulenden Sirenen unweit hinter ihnen auf. Sie mussten von der National Gallery herunter gekommen sein.
    »Heiliger Strohsack!«, rief Samantha. Sie konnte nicht glauben, was sie hier taten. Wie Schwerverbrecher hetzten sie durch die Stadt, gejagt von einer Meute von Mets, die Blut gerochen hatten. Bastien ließ sich nicht irritieren. Als wäre dies ein Computerspiel, reagierte er locker und blitzschnell auf die neue Bedrohung. Er lenkte das Motorrad scheinbar nach links zur Whitehall, schlüpfte jedoch im letzten Augenblick hinter einem kleinen Lastwagen nach rechts zum Admiralty Arch. Die überrumpelte Lenkerin des nachfolgenden Wagens ließ ihr Telefon fallen, trat hart auf die Bremse und scherte so unglücklich aus, dass sich ihr schnittiger, silbergrauer Porsche 911 Turbo querstellte und zwei Fahrspuren blockierte. Zwei weitere Fahrzeuge knallten ins Heck und ins rechte Vorderrad des Sportwagens, andere versuchten vergeblich auszuweichen. Innerhalb weniger Sekunden bildete sich vor dem Torbogen der Admiralität ein unentwirrbares Knäuel ineinander verkeilter Wagen, der Verkehr auf der Whitehall kam zum Erliegen, selbst die heulenden rotgestreiften Vauxhalls der Polizei standen still. Die Beamten konnten nur noch hilflos zusehen, wie die gelbe Ducati im Tor verschwand.
    Bastien hörte, wie die Sirenen der Verfolger zurückblieben. Zufrieden grinsend ließ er den Motor aufheulen, als sie auf der Prachtstraße der Mall dem Buckingham Palace entgegen brausten. Vom Chaos hinter ihnen drang nur lautes Hupen an seine Ohren. Umso deutlicher hatte Samantha mitbekommen, was sie eben angerichtet hatten. Sie schwitzte Blut, sah sich für Jahre in den Knast wandern, doch sie zweifelte keinen Augenblick, dass ihr Einsatz für die Mutter dies alles rechtfertigte.
    »Heiliges Kanonenrohr, ich muss mal ein ernstes Wort mit dir reden!«, schrie sie nach vorn, ohne eine Antwort zu erwarten.
    Plötzlich kam der Verkehr ins Stocken. Bastien setzte zum Überholen an, als er bemerkte, weshalb nur noch Schritttempo gefahren wurde.
    »Verdammter Mist. Eine Straßensperre«, rief er Samantha über die Schulter zu. Die vielen blinkenden Blaulichter vor

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