Nebenwirkungen (German Edition)
heftige Bewegung hatte ein vielleicht fünf Zentimeter großes Tier zu Boden geschleudert. Im Schein der Lampe erkannte er das haarige Wesen, eine prächtige Tarantel, die sich jetzt schnell zurückzog. Erleichtert setzte er die Inspektion des Raums fort. Er öffnete die Schubfächer unter den Schreibtischen, fand jedoch nichts außer einigen verrosteten Büroklammern und anderem Büromaterial. An der Wand neben der verschlossenen, schweren Metalltür stand ein breiter, dunkelgrüner Schrank. Vorsichtig drehte er am Türgriff. Zu seiner Überraschung ließ sich der Schrank ohne weiteres öffnen. Schutzanzüge. Beim dritten Anzug fand er die Bestätigung seiner Vermutung. In großen Buchstaben stand ›P. Marchand‹ auf der aufgeklebten Etikette unter dem unverkennbaren Logo von BiosynQ.
Er glaubte schon, alles gesehen zu haben, als er einen Lichtreflex an der Rückwand des Raums bemerkte. Er trat näher und stellte fest, dass die vermeintliche Rückwand nur eine Zwischenwand mit einer verstaubten, hermetisch verschlossenen Glastür war. Als er die Staubschicht etwas weggewischt hatte, war ihm klar, was er da vor sich hatte: eine Schleuse. Er konnte nicht sehen, was sich hinter dieser Kammer befand, doch mit Sicherheit würde er diesen Teil des Gebäudes niemals ohne Schutzanzug betreten. Er hatte genug gesehen und wandte sich wieder dem Fenster zu, durch das er eingestiegen war. In Gedanken versunken stieg er in seinen Jeep und wollte losfahren, als er die frischen Fußabdrücke im Gras auf der anderen Seite neben dem Wagen bemerkte. Er war sicher, dass die Spuren vorher noch nicht da gewesen waren. Soweit er feststellen konnte, waren es nicht die Fußabdrücke eines Kindes. Diese Spuren stammten nicht von Nyack. Unsicher schaute er sich um und vergewisserte sich gleichzeitig, dass die Jagdflinte griffbereit in ihrer Halterung stand. Es fehlte auch sonst nichts im Wagen. Langsam fuhr er den Spuren nach, bis sie sich im Gras verloren. Er suchte den Horizont mit dem Fernglas ab. Nichts. Keine Bewegung, außer hie und da ein paar streitende Raben. Nachdenklich wendete er den Wagen und begann endlich mit seiner Arbeit.
Katie empfing ihn mit ernstem Blick, als er von seiner Runde zurückkehrte. Er fürchtete schon, sie hätte ihm die unbedachte Bemerkung am Morgen noch nicht verziehen. Doch sie hatte ganz andere Sorgen.
»Die S-Population stagniert«, bemerkte sie mit düsterer Mine.
»Was heißt stagniert? Sie nimmt langsamer zu, das ist normal«, antwortete Paul.
»Nein, sie bleibt konstant seit zwei Tagen. Die Messungen zeigen sogar eine leichte Abnahme, doch das kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Die Schwankung liegt in der Fehlertoleranz. Hast du eine Ahnung, was der Grund sein könnte?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich sehe keinen offensichtlichen Grund. Die Umgebungsbedingungen sind gleich geblieben. Wie hoch ist die letzte Messung?«
»Gestern war der Mittelwert 57%, wie du weißt, und heute habe ich 52% gemessen. Was geht hier vor?«
»Ich habe leider auch keine Ahnung, doch wir müssen Heike informieren. Es wird einige Zeit dauern, bis wir die Ursache ermittelt haben.«
Katie nickte und ging ins Haus, wo Mrs. Umangua das Essen vorbereitete.
»Übrigens«, rief Paul ihr nach, »Du hattest recht. Ich denke, ich habe heute die Fußspuren deiner Augen gesehen.«
Sie blieb wie elektrisiert stehen, drehte sich um und schaute ihn mit aufgerissenen Augen an. »Wo, was hast du gesehen?«
»Das ist eine lange Geschichte. Ich erzähle sie dir beim Essen.«
Cambridge
Der grauschwarz getigerte Kater, der friedlich auf seinem Lieblingssofa im Wohnzimmer des Professors gedöst hatte, war mit einem Male hellwach, als ihn die Türklingel aufschreckte. Mit eingezogenem Schwanz rannte er den Korridor entlang zur Kellertreppe und kurz darauf hörte Mrs. Carvalho wie erwartet, wie sich die Kellertür öffnete.
»Feigling«, brummte sie, als sie zur Haustür schlurfte. Dieser Kater hatte panische Angst vor allem Fremden. Jedes Mal, wenn ihm etwas nicht geheuer war, verschwand er wie der Blitz im Keller. Er hatte längst gelernt, wie er die schwere Tür mit einem gezielten Sprung an die Türklinke öffnen konnte, doch unglücklicherweise fiel die Tür hinter ihm wieder zu, sodass sich der Kater regelmäßig im dunklen Keller einschloss. Mrs. Carvalho schätzte das ganz und gar nicht, war sie es doch, die jedes Mal die Kellertreppe hinunter steigen durfte, um das Tier wieder zu befreien.
Die junge Frau an der
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