Nebenwirkungen (German Edition)
setzen.
»Bin ich ein Glückspilz«, strahlte er sie an, als er den Barhocker zurechtrückte.
»Sind Sie sicher? «, entgegnete Heike spöttisch und müde. »Ich glaube nicht, dass ich eine sehr angenehme Gesprächspartnerin sein werde.«
»Ihre Gegenwart genügt mir vollkommen«, antwortete Kyle galant. »Noch einen?« Er zeigte auf ihr leeres Cognacglas. Sie nickte lächelnd. Dieser Kerl machte ihr wenigstens keinen Ärger, dachte sie. Obwohl sie todmüde war, mochte sie sich nicht auf ihr Zimmer zurückziehen. Zu aufgewühlt war sie, einerseits von der gelungenen Veranstaltung, andererseits von ihrer unerfreulichen Unterhaltung mit Célia. Da kam ihr Kyle gerade recht, um sie auf andere Gedanken zu bringen, als Schlafmittel gewissermaßen.
»Ich möchte Sie wirklich nicht damit nerven, über ihre Arbeit zu sprechen, aber eines muss ich noch loswerden. Ich bewundere die leicht verständliche und doch präzise Art, wie Sie über ihre Forschung berichten. Sie erleichtern mir damit meine Arbeit ganz erheblich.«
Sie schaute ihn skeptisch an und fragte: »Wie weit sind Sie denn mit ihrem Bericht?«
Verlegen musste er zugeben, dass er noch nicht sehr weit gekommen war. »Wer weiß, vielleicht muss ich doch noch einen Besuch in Botswana machen«, fügte er scherzhaft hinzu.
»Das ist im Prinzip kein Problem, aber ich bezweifle, ob das Ihren Bericht beschleunigen würde«, spottete sie. »Ihr Journalisten scheint euch ja ohnehin sehr für diese Gegend zu interessieren. «
»Der Zeitungsfritze meinen Sie? Mir erschien seine Fragerei ziemlich deplaciert.«
»Klar, aber der Herr hat mich doch geärgert. Noch mehr habe ich mich allerdings darüber aufgeregt, dass ich noch nichts von diesem Fall Marchand gehört hatte.« Heike schüttelte den Kopf, wobei ihr schulterlanges, glänzend rotes Haar, das Kyle vom ersten Augenblick an in seinen Bann gezogen hatte, ihr schönes Gesicht umschmeichelte. Gebannt schaute er dem Schauspiel zu, bis sie ihn schließlich verwundert ansah und fragte:
»Was?«
»Entschuldigen Sie, ich habe mir eben vorgestellt, wie Herr Wolff zuhause sie jetzt vermissen muss«, stammelte Kyle und schaute verlegen in sein Glas. Wie ein Schuljunge, ärgerte er sich wieder über sich selbst. Heike schaute ihn nachdenklich an, trank ihren Cognac aus und sagte schließlich leise: »Es gibt keinen Herrn Wolff zuhause, es sei denn, Sie meinen Vater, aber der ist vor fünf Jahren gestorben. Und es gibt auch keinen anderen Herrn, der auf mich warten würde, falls Sie das wissen wollten.«
Ihre Offenheit beschämte Kyle. Er wollte sich nochmals entschuldigen, doch sie legte beschwichtigend die Hand auf die seine und sagte ernst: »Schon gut. Ich hätte Ihnen das ja nicht erzählen müssen. Ich habe übrigens auch keine Probleme mit meinem Single-Dasein.«
Ich bin ein Idiot , dachte Kyle. Er fand es höchst unpassend, sie jetzt mit seiner Geschichte zu langweilen, also bestellte er nochmals zwei Drinks. Als sie endlich vom Barhocker kletterten, wäre sie beinahe eingeknickt. Er fing sie auf und sie hängte sich ohne Umstände bei ihm ein, als sie die Bar verließen. Er begleitete sie zu ihrem Zimmer, doch beide wussten, dass dies nur eine nette Geste war.
»Rufen Sie mich an, wenn Sie etwas für Ihren Bericht brauchen«, sagte sie müde und unterdrückte ein Gähnen, als sie vor ihrer Zimmertür standen.
»Sie werden von mir hören. Gute Nacht«, antwortete Kyle, nickte ihr freundlich zu und verschwand im Treppenhaus.
London, Docklands
Morgens um acht saßen die meisten Mitarbeiter der Life!-Redaktion bereits vor ihren Bildschirmen und die Telefone begannen heiß zu laufen. Die Zeiten der ›nine-to.five‹ Jobs waren längst vorbei. Oft sah man die Büros der Redaktion im zweiundzwanzigsten Stock des gläsernen Presseturms auch nach zehn Uhr nachts noch hell erleuchtet, und viele der Mitarbeiter saßen trotzdem bereits am frühen Morgen wieder an ihrem Schreibtisch. Das elegante Hochhaus stand im Zentrum der Docklands im Osten Londons, an der Canary Wharf, unweit des alles überragenden One Canada Square mit seiner charakteristischen pyramidenförmigen Spitze. Von den Büros hatte man freie Sicht auf das gewaltige weiße Zeltdach des Millennium Dome im Südosten und die Themse mit der Tower Bridge im Süden und Westen. Eine Aussicht, die allerdings nur die Kaderleute in ihren Eckbüros und den verglasten Abteilen mit den raumhohen Fenstern wirklich genießen konnten. Die weniger privilegierten
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