Nebenwirkungen (German Edition)
Zielstrebigkeit und Risikobereitschaft dieser Firma gefielen Heike. Mit solchen Partnern würde sie in wenigen Monaten bereits Erfolge publizieren können. Paul und Katie schienen sich in Botswana auf eine solide Infrastruktur verlassen zu können. Ausgesprochen zuversichtlich verließ sie den kristallförmigen Glaspalast von BiosynQ im Westen Kölns. Da nun die nächste Phase ihres Forschungsprojektes organisiert war, kam ihr das für morgen geplante Interview mit den Journalisten aus London sehr gelegen. Sie hatte die Leute anfänglich abwimmeln wollen, doch Öffentlichkeitsarbeit war in jeder Hinsicht wichtig in ihrem Fach.
Heidelberg
»Wir betreiben hier zwar vorwiegend Grundlagenforschung, doch wird sehr bald klar werden, dass unser aktuelles Projekt von großem praktischem Nutzen ist. Wie Ihnen Katie Foss wohl bereits berichtet hat, geht es um die Bekämpfung der Malaria, deren Verbreitung zurzeit wegen der Klimaerwärmung wieder zunimmt. Wir verfolgen dabei einen völlig neuen Ansatz«, erklärte Heike Wolff den beiden Journalisten in ihrem durchgestylten Büro. Die Farbe weiß dominierte diesen Raum: weiße Wände, weiße Ledersitze, ein großes weißes Büchergestell mit sorgfältig geordneten Bergen von Zeitschriften und Büchern. Heikes Büro verströmte die gleiche kühle Eleganz wie sie selbst.
Kyle hatte einen frustrierten Drachen mit spitzem Kinn und spitzer Zunge erwartet, doch was er hier vorfand war eine leidenschaftliche, hoch intelligente, unwiderstehliche Frau, die mitreißend von ihrer Arbeit erzählen konnte. Er hing an ihren Lippen, ohne wirklich zuzuhören. Heike hatte seine Reaktion sehr wohl bemerkt. Es machte ihr Spaß, diesen netten Fisch an ihrer Angel zappeln zu lassen, so richtete sie ihren Blick auf ihn, als sie fortfuhr: »Wir sind überzeugt, dass unser Ansatz durchaus das Potenzial hat, diese Seuche praktisch auszurotten. Wie Sie sicher wissen, gibt es zwar seit langem Medikamente zur Vorbeugung und zur Behandlung der Krankheit. Der wichtigste Wirkstoff bei der Behandlung ist Artemisin, ein Stoff, der mit enormem Aufwand aus einem Beifußgewächs, Artemisia annua, gewonnen wird. Also hat man alles unter Kontrolle, könnte man argumentieren, nicht wahr?«
Sie hatte diese rhetorische Frage direkt an Kyle gerichtet, der in seiner Überraschung nur ein blödes Nicken zustande brachte. Samantha begriff endlich, was vor sich ging und warf ihrem Kollegen einen strengen Blick zu, eine eindeutige Aufforderung, sich auf seinen Job zu konzentrieren. Heike fuhr unbeirrt fort: »Mittlerweile ist es unseren Kollegen in Berkeley gelungen, Kolibakterien durch den Einbau synthetischer DNA so umzuprogrammieren, dass sie billiges Artemisin erzeugen. Das sind phantastische Errungenschaften, wie Sie mir sicher zustimmen werden. Damit hat man die Behandlung wirklich im Griff. Wir gehen aber einen Schritt weiter. Warum soll man es überhaupt dazu kommen lassen, dass sich jährlich Millionen von Menschen mit dieser Krankheit infizieren?«
Wieder eine rhetorische Pause, doch diesmal war Kyle auf der Hut. »Das heißt, Sie wollen die Stechmücken ausrotten?«
»Nein«, antwortete Heike und schenkte ihm ihr wärmstes Lächeln. »Die Anophelesmücke ist zwar ein großes Problem, da sie die Krankheit überträgt, doch sie ist nicht der Erreger. Die Krankheit wird durch Plasmodium, einen Parasiten, der sich in der Mücke vermehrt, ausgelöst. Wir haben gewissermaßen eine Malaria-resistente Mücke erschaffen, indem wir ihr ein synthetisches Gen eingepflanzt haben, das den Entwicklungszyklus dieser Plasmodien unterbricht.«
Samantha gefiel der Ausdruck ›erschaffen‹ nicht. Sie konnte ihre Abneigung gegen die Erschaffung neuer Lebensformen nicht rational begründen. War es die Angst vor dem Unbekannten oder die tief empfundene Ehrfurcht vor dem Leben? Sie wusste es selbst nicht. Die Vorstellung, nach Belieben in die sich über Jahrmillionen erstreckende Evolution des Lebens einzugreifen, schien ihr verwegen. Mit unverhohlener Skepsis fragte sie: »Dazu müsste die gesamte Mücken-Population in den Malariagegenden durch diese künstlichen Viecher ersetzt werden. Ist das überhaupt denkbar, und hat man untersucht, welche Nebenwirkungen ein solcher Eingriff in die Natur hätte?«
Heike wandte sich von Kyle ab und sah Samantha kühl in die Augen, als sie entgegnete: »Wir haben umfangreiche Testreihen in unseren Labors durchgeführt und sind sicher, dass keine schädlichen Nebenwirkungen zu erwarten
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