Nebenwirkungen
"Darum wird er in der Geschäftswelt auch stets vorankommen, und du wirst dich immer kümmerlich herumwinden wie ein widerliches, dürrbeiniges Insekt, das nur dazu da ist, zerquetscht zu werden."
F. gratulierte seinem Vater dazu, daß er alles von so hoher Warte sehe, später am Abend jedoch fühlte er sich auf unerklärliche Weise deprimiert. Er beschloß, Diät zu halten und sich ein respektableres Äußeres zu geben. Nicht, daß er fett gewesen wäre, aber versteckte Anspielungen in der ganzen Stadt erweckten bei ihm unwiderleglich den Eindruck, in gewissen Kreisen werde er vielleicht als "aussichtslos behäbig" angesehen. Mein Vater hat recht, dachte F. Ich wirke wie ein ekelhafter Käfer. Kein Wunder, daß Schnabel mich mit Flit besprühte, als ich um eine Gehaltserhöhung bat! Ich bin ein jämmerliches, nichtswürdiges Insekt, dem allgemeiner Abscheu gebührt. Ich verdiene es, totgetrampelt, von wilden Tieren in Stücke gerissen zu werden. Ich sollte unter dem Bett im Staube leben oder mir in abgrundtiefer Scham die Augen ausreißen. Morgen muß ich endgültig mit meiner Diät beginnen.
In dieser Nacht erschienen F. hoffnungsfreudige Bilder im Traum. Er sah sich schlank und imstande, in schicke neue Slacks hineinzupassen - solche, in denen nur Leute mit einem gewissen Ruf ungeschoren bleiben. Er träumte, er spiele graziös Tennis und tanze an eleganten Orten mit Mannequins. Der Traum endete damit, daß F. nackt zur Musik von Bizets "Auf in den Kampf" langsam durch den Saal der Börse schritt und sagte: "Nicht schlecht, nicht wahr?"
Er erwachte am nächsten Morgen im Zustand höchster Glückseligkeit und setzte seine Diät mehrere Wochen lang fort, in denen er sein Gewicht um sechzehn Pfund verringerte. Er fühlte sich nicht nur besser, auch sein Glück schien sich zu wandeln.
"Der Herr Minister möchte Sie sprechen", wurde ihm eines Tages gesagt. F. war hingerissen, als er vor den großen Mann gebracht wurde, der ihn prüfend betrachtete.
"Ich höre, Sie setzen auf Proteine", sagte der Minister.
"Mageres Fleisch und natürlich Salate", erwiderte F. "Das heißt, gelegentlich ein Brötchen - aber keine Butter und selbstverständlich keine anderen Kohlehydrate."
"Imponierend", sagte der Minister.
"Ich bin nicht nur attraktiver geworden, ich habe auch die Gefahr von Herzinfarkt und Diabetes außerordentlich verringert", sagte F.
"Weiß ich alles", sagte der Minister ungeduldig.
"Vielleicht könnte ich jetzt gewisse Angelegenheiten erfüllt bekommen", sagte F., "das heißt, falls ich mein gegenwärtiges Trimmgewicht halte."
"Mal sehen, mal sehen", sagte der Minister. "Und Ihren Kaffee?" fuhr er mißtrauisch fort. "Trinken Sie ihn mit Kaffeesahne?"
"O nein", sagte F. zu ihm, "nur mit Magermilch. Ich versichere Ihnen, Herr Minister, alle meine Mahlzeiten sind jetzt absolut freudlos."
"Schön, schön. Wir sprechen uns bald wieder." An dem Abend löste F. seine Verlobung mit Frau Schneider. Er schrieb ihr ein paar Zeilen, in denen er ihr auseinandersetzte, daß durch den starken Abfall seines Triglyzeridspiegels an alle Pläne, die sie einmal gemacht hätten, jetzt nicht zu denken sei. Er bat sie um Verständnis und fügte hinzu, sollte sein Cholesterinspiegel jemals über einhundertneunzig ansteigen, dann rufe er sie an.
Dann kam das Mittagessen mit Schnabel - für F. ein bescheidenes Mahl, das aus Hüttenkäse und einem Pfirsich bestand. Als F. Schnabel fragte, weshalb er ihn habe kommen lassen, wich der Altere aus. "Nur um verschiedene Zweifelsfragen zu erörtern", sagte er.
"Was für Zweifelsfragen?" fragte F. Ihm fielen keine ungelösten Probleme ein, es sei denn, er erinnerte sich nicht daran.
"Ach, ich weiß nicht. Mir umnebelt sich jetzt alles, und auch den Anlaß unseres Essens habe ich völlig vergessen."
"Ja, aber ich fühle, daß Sie mir etwas verbergen", sagte F. "Unsinn. Essen Sie einen Nachtisch", antwortete Schnabel. "Nein danke, Herr Schnabel. Ich will damit sagen, ich halte Diät." "Wie lange ist es denn schon her, daß Sie keinen Pudding mehr genossen haben? Oder ein Eclair?" "Ach, mehrere Monate", sagte F. "Vermissen Sie sie nicht?" fragte Schnabel. "Doch, ja. Natürlich, ich beschließe meine Mahlzeit gern damit, daß ich reichlich Süßspeisen zu mir nehme. Doch der Zwang der Enthaltsamkeit... Sie verstehen." "Tatsächlich?" fragte Schnabel, der sich sein mit Schokolade überzogenes Gebäck schmecken ließ, so daß F. das Behagen des Mannes spüren konnte. "Schade, daß Sie so
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