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Nebenwirkungen

Nebenwirkungen

Titel: Nebenwirkungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woody Allen
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von so nagender Angst ergriffen über die steife Art und den Ton von Schnabels Einladung, daß er darauf drang, sie sollten sich sogleich treffen.
    "Essen wir doch heute abend Mittag", sagte er.
    "Es ist fast Mitternacht", erwiderte Schnabel.
    "Das geht schon in Ordnung", sagte F., "wir werden natürlich in ein Restaurant einbrechen müssen."
    "Unsinn. Es kann warten", gab Schnabel bissig zurück und legte auf.
    F. atmete schwer. Was habe ich getan, dachte er. Ich habe mich vor Schnabel zum Narren gemacht. Bis Montag ist es in der ganzen Firma herum. Und es ist schon das zweite Mal in diesem Monat, daß man mich lächerlich macht.
    Drei Wochen zuvor war F. im Fotokopierraum dabei überrascht worden, wie er sich wie ein Specht aufführte. Ständig machte sich jemand im Büro hinter seinem Rücken über ihn lustig. Manchmal, wenn er sich schnell umdrehte, ertappte er, nur Zentimeter von sich entfernt, dreißig oder vierzig Kollegen mit herausgestreckter Zunge. Zur Arbeit zu gehen war ein Alptraum. Zum Beispiel stand sein Schreibtisch ganz hinten, weit vom Fenster entfernt, und was an frischer Luft überhaupt in das düstere Büro gelangte, das wurde erst von den anderen eingeatmet, ehe F. es inhalieren konnte. Jeden Tag, wenn er den Gang entlangtrottete, starrten ihn feindselige Gesichter hinter Hauptbüchern hervor an und taxierten ihn kritisch. Einmal hatte Traub, ein unbedeutender Buchhalter, höflich genickt, und als F. zurücknickte, warf Traub einen Apfel nach ihm. Zuvor hatte Traub die Beförderung, die F. versprochen worden war, und einen neuen Stuhl für seinen Schreibtisch erhalten. F’s Stuhl dagegen war vor vielen Jahren gestohlen worden, und es hatte aufgrund endloser Paragraphenreitereien den Anschein, daß er nie einen anderen für sich beanspruchen könne. Seither stand er jeden Tag an seinem Schreibtisch und bückte sich zum Tippen hinunter, während er wahrnahm, wie die anderen Witze über ihn machten. Als die Geschichte sich damals ereignete, hatte F. um einen neuen Stuhl gebeten.
    "Tut mir leid", sagte Schnabel zu ihm, "aber in der Sache müßten Sie sich an den Herrn Minister wenden."
    "Ja, ja, gewiß", stimmte F. zu, aber als es soweit war, den Herrn Minister zu sprechen, wurde der Termin verschoben. "Er kann Sie heute nicht empfangen", sagte ein Mitarbeiter. "Es sind gewisse vage Vermutungen aufgekommen, und er empfängt heute niemanden." Wochen vergingen, und F. versuchte immer wieder, den Minister zu sprechen, doch ohne Erfolg.
    "Alles, was ich möchte, ist ein Stuhl", sagte er zu seinem Vater. "Es ist ja nicht so, daß es mir etwas ausmachte, mich zur Arbeit zu bücken, aber wenn ich mich ausruhe und meine Füße auf den Schreibtisch lege, kippe ich jedesmal nach hinten."
    "Quatsch", sagte sein Vater ohne Mitgefühl. "Wenn sie mehr von dir hielten, säßest du inzwischen."
    "Du verstehst das nicht!" schrie F. "Ich habe versucht, den Herrn Minister zu sprechen, aber er ist ständig beschäftigt. Und trotzdem, wenn ich einen Blick in sein Fenster werfe, sehe ich ihn immer Charleston üben."
    "Der Herr Minister wird dich niemals empfangen", sagte sein Vater und goß sich einen Sherry ein. "Für klägliche Versager hat er keine Zeit. Die Wahrheit ist, Richter hat, wie ich höre, zwei Stühle. Einen, auf dem er bei der Arbeit sitzt, und einen, dem er schöntut und was vorsummt."
    Richter! dachte F. Dieser alberne Langweiler, der jahrelang eine heimliche Liebesbeziehung zur Frau des Bürgermeisters unterhielt, bis sie dahinterkam! Richter hatte früher bei der Bank gearbeitet, doch da traten gewisse Fehlbeträge auf. Zunächst wurde er beschuldigt, Geld unterschlagen zu haben. Dann fand man heraus, daß er das Geld aß. "Es ist schwer verdaulich, nicht wahr?" fragte er unschuldig die Polizei. Er wurde aus der Bank hinausgeworfen und kam zu F’s Firma, wo man der Ansicht war, sein fließendes Französisch mache ihn zum idealen Mitarbeiter, die Pariser Geschäfte zu leiten. Nach fünf Jahren wurde offenkundig, daß er kein Wort Französisch konnte, sondern nur unsinnige Silben mit erfundenem Akzent näselte, während er die Lippen spitzte. Obwohl Richter auf einen niedrigeren Posten versetzt wurde, gelang es ihm, sich wieder in die Gunst des Chefs emporzuarbeiten. Diesmal überzeugte er seinen Arbeitgeber davon, daß die Gesellschaft ihre Gewinne verdoppeln könne, wenn sie einfach die Eingangstüren aufschlösse und die Kunden hereinließe.
    "Das ist ein Mann, dieser Richter", sagte F’s Vater.

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