Nebenwirkungen
ganze Stadt zu Rendezvous mit einem Fotomodell namens Tiffany Schmiederer, deren das Blut gerinnen lassende Geistesgaben in absolut umgekehrtem Verhältnis zu der erotischen Ausstrahlung standen, die jeder ihrer Poren entströmte. Zweifellos hast du, lieber Leser, schon mal den Ausdruck "ein Körper streckt die Waffen" gehört. Also, Tiffanys Körper wollte nicht nur nicht die Waffen strecken, er nahm sich nicht mal fünf Minuten Zeit für eine Kaffeepause. Eine Haut wie Satin, oder sollte ich lieber sagen, wie der allerfeinste Lachs von Zabar’s? Eine Löwenmähne aus kastanienbraunem Haar, lange, schlanke Beine und eine so kurvenreiche Figur, daß mit der Hand über jede x-beliebige Stelle ihres Körpers zu streichen wie der Ritt auf einem Zyklon war. Das soll nicht heißen, daß die, mit der ich zusammenlebte, die funkensprühende und doch unergründliche Olive Chomsky, physiognomisch eine welke Schrippe gewesen wäre. Ganz und gar nicht. Sie war im Gegenteil eine hübsche Frau mit all den Rechten und Freiheiten, die einer bezaubernden und geistreichen Kunstbegeisterten zukamen, und grob gesagt, eine ausgebuffte Mieze im Bett. Vielleicht lag es daran, daß Olive, wenn das Licht aus einem ganz bestimmten Winkel auf sie fiel, unbegreiflicherweise meiner Tante Rifka ähnlich sah. Nicht daß Olive wirklich wie die Schwester meiner Mutter ausgesehen hätte. (Rifka hatte das Aussehen einer Gestalt der jiddischen Volkssage namens Golem.) Es war einfach so, daß irgendeine vage Ähnlichkeit um die Augen herum bestand, und dann auch nur, wenn die Schatten entsprechend fielen. Vielleicht also war es dieses Inzesttabu, oder vielleicht lag’s einfach daran, daß ein Gesicht und ein Körperchen wie von Tiffany Schmiederer nur alle paar Jahrmillionen mal vorkommen und gewöhnlich eine Eiszeit oder den Weltuntergang durch Feuer ankündigen. Der springende Punkt ist einfach, meine Bedürfnisse pochten auf die Vorzüge von zwei Frauen.
Olive war es, der ich zuerst begegnete. Und das nach einer endlosen Reihe von Beziehungen, bei denen meine Partnerinnen ausnahmslos irgendwas zu wünschen übrigließen. Meine erste Frau war hochintelligent, hatte aber keinen Sinn für Humor. Sie war überzeugt, von den Marx Brothers sei Zeppo der amüsanteste. Die zweite war schön, aber es fehlte ihr an wirklicher Leidenschaft. Ich weiß noch, als wir einmal miteinander schliefen, hatte ich eine merkwürdige optische Täuschung, bei der es mir für einen Sekundenbruchteil beinahe so schien, als bewegte sie sich. Sharon Pflug, mit der ich drei Monate zusammenlebte, war zu streitsüchtig. Whitney Weisglass war zu kompromißbereit. Pippa Mondale, eine muntere Geschiedene, beging den fatalen Fehler, Kerzen, die wie Laurel und Hardy geformt waren, schön zu finden.
Wohlmeinende Freunde deckten mich mit einer erbarmungslosen Flut von Verabredungen ein, alle unfehlbar aus den Büchern H. P. Lovecrafts. Inserate in der New York Review of Books, auf die ich aus Verzweiflung antwortete, erwiesen sich ebenfalls als sinnlos, denn die "Dichterin um die Dreißig" war um die Sechzig, die "Studentin mit Spaß an Bach und Beowulf" sah wie das Ungeheuer Grendel aus, und die "BiFrau aus der Bay Area" sagte mir, ich entspräche weder dem einen noch dem anderen ihrer Gelüste. Das soll nicht heißen, daß nicht doch hin und wieder irgendwie eine unverkennbare Rosine dabei zum Vorschein kam: eine schöne Frau, sensibel und gescheit, mit eindrucksvollen Empfehlungsschreiben und ansprechenden Manieren. Aber irgendeinem uralten Gesetz gehorchend, vielleicht aus dem Alten Testament oder dem ägyptischen Totenbuch, war sie es dann, die mich nicht wollte. Und so kam es, daß ich der unglücklichste Mensch auf Erden war. Nach außen anscheinend mit allen Gütern gesegnet, die ein angenehmes Leben ausmachen, darunter aber verzweifelt auf der Suche nach der erfüllenden Liebe.
Nächte voller Einsamkeit ließen mich über die Ästhetik der Vollkommenheit nachgrübeln. Ist alles in der Natur wirklich "vollkommen", wenn man mal von der Blödheit meines Onkels Hyman absieht? Wer bin ich denn, daß ich Vollkommenheit verlange? Ich mit meiner Unmenge von Fehlern. Ich stellte eine Liste meiner Fehler auf, kam aber nicht über "1) Vergißt manchmal seinen Hut" hinaus.
Hatte irgend jemand, den ich kannte, eine "bedeutende Beziehung" ? Meine Eltern blieben vierzig Jahre beieinander, das aber aus reiner Bosheit. Grünglas, ein anderer Arzt am Krankenhaus, heiratete eine Frau, die
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