Nebenwirkungen
streng sind. Das Leben ist kurz. Möchten Sie nicht gern bloß ein Häppchen probieren?" Schnabel lächelte boshaft. Er reichte F. einen Bissen auf seiner Gabel.
F. fühlte, wie er wankend wurde. "Passen Sie auf", sagte er, "ich kann ja wohl jederzeit morgen wieder zu meiner Diät zurückkehren."
"Gewiß doch, gewiß doch", sagte Schnabel. "Das finde ich völlig richtig."
Obwohl F. sich hätte widersetzen können, gab er dennoch nach. "Ober", sagte er zitternd, "auch ein Eclair für mich."
"Bravo, bravo", sagte Schnabel. "So ist es recht. Da merkt man doch den ganzen Kerl. Wenn Sie auch in der Vergangenheit nachgiebiger gewesen wären, dann wären mittlerweile gewisse Angelegenheiten abgeschlossen, die schon lange gelöst sein sollten - wenn Sie wissen, was ich meine."
Der Kellner brachte das Eclair und stellte es vor F. hin. F. meinte, er sehe den Mann Schnabel zuzwinkern, war sich dessen aber nicht sicher. F. begann, das klebrige Dessert zu essen, und erschauerte bei jedem süßen Bissen.
"Gut, was?" fragte Schnabel durchtrieben schmunzelnd. "Es ist natürlich voller Kalorien."
"Ja", murmelte F. bebend und wild um sich blickend. "Das geht alles direkt auf meine Hüften."
"Sie setzen an den Hüften an, was?" fragte Schnabel.
F. atmete schwer. Plötzlich durchströmte Reue alle Fasern seines Körpers. Gott im Himmel! Was habe ich getan! Ich habe die Diät gebrochen! Ich habe ein Stück Kuchen gegessen und kenne die Folgen doch nur zu gut! Morgen werde ich meine Anzüge weiter machen müssen!
"Stimmt etwas nicht, mein Herr?" fragte der Kellner, und er und Schnabel lächelten gemeinsam.
"Ja, was ist denn?" fragte Schnabel. "Sie sehen aus, als hätten Sie ein Verbrechen begangen."
"Bitte, ich kann jetzt nicht darüber reden! Ich brauche Luft! Können Sie bitte zahlen, ich zahle das nächste Mal."
"Gewiß doch", sagte Schnabel. "Wir sehen uns im Büro wieder. Ich höre, der Herr Minister möchte Sie wegen gewisser Beschuldigungen sprechen."
"Was? Was denn für Beschuldigungen?" fragte F.
"Ach, ich weiß nicht genau. Es hat ein paar Gerüchte gegeben. Nichts Bestimmtes. Auf einige Fragen hätte die Behörde gern eine Antwort. Es kann natürlich warten, wenn Sie noch hungrig sind, Klößchen."
F. stürzte vom Tisch davon und lief durch die Straßen nach Hause. Er warf sich vor seinem Vater auf den Boden und weinte. "Vater, ich habe meine Diät gebrochen!" schrie er. "In einem Augenblick der Schwäche habe ich Nachtisch bestellt. Bitte, vergib mir! Gnade erflehe ich von dir!"
Sein Vater hörte ruhig zu und sagte: "Ich verurteile dich zum Tode."
"Ich wußte, du würdest es verstehen", sagte F., und dann umarmten die beiden Männer einander und erneuerten ihre Absicht, mehr von ihrer Freizeit mit Arbeit bei anderen zu verbringen.
Die Geschichte vom Verrückten
Wahnsinn ist ein relativer Zustand. Wer kann schon sagen, wer von uns wirklich verrückt ist? Und während ich in mottenzerfressenen Plünnen und mit einer Chirurgenmaske vorm Gesicht durch den Central Park schlendere, revolutionäre Parolen schreie und hysterisch lache, frage ich mich noch jetzt, ob das, was ich tat, wirklich so unbegreiflich war. Denn, lieber Leser, ich war nicht immer das, was man im Volksmund einen "New Yorker Straßenirren" nennt, der an Mülltonnen stehenbleibt, um seine Plastiktüten mit Bindfadenstückchen und Flaschenverschlüssen zu füllen. Nein, ich war einmal ein sehr erfolgreicher Arzt, wohnte in der Upper East Side, gondelte mit einem braunen Mercedes durch die Stadt und kleidete mich elegant in mehrererlei verschiedene Tweedanzüge von Ralph Lauren. Kaum zu glauben, daß man mich, Dr. Ossip Parkis, ein einstmals so vertrautes Gesicht bei Theaterpremieren, bei Sardi’s, im Lincoln Center und in den Hamptons, wo ich mit imponierendem Witz und einer fabelhaften Rückhand brillierte, kaum zu glauben, daß man mich jetzt manchmal unrasiert, mit Rucksack und Windrädchen am Hut den Broadway hinunter Rollschuh laufen sieht.
Das Dilemma, das diesen verhängnisvollen Sturz aus dem Zustand der Gnade herbeiführte, war schlicht und einfach das folgende. Ich lebte mit einer Frau zusammen, an der ich mit großer Liebe hing, die persönlich und geistig einnehmend und reizend, sehr gebildet und humorvoll war und mit der seine Zeit zu verbringen großes Vergnügen machte. Aber (und dafür fluche ich dem Schicksal) sie riß mich sexuell einfach nicht vom Hocker. Und so schlich ich gleichzeitig in der Nacht quer durch die
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