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Nebenwirkungen

Nebenwirkungen

Titel: Nebenwirkungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woody Allen
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treffen. Ich spreche übrigens ohne jedes Gefühl der Sinnlosigkeit, vielmehr in der panischen Überzeugung von der absoluten Bedeutungslosigkeit des Daseins, was leicht als Pessimismus mißverstanden werden könnte. Es ist keiner. Es ist bloß die heilsame Sorge um die kritische Situation des modernen Menschen. (Der moderne Mensch wird hier als jede Person definiert, die nach Nietzsches Ausspruch "Gott ist tot", aber vor dem Schallplattenhit "I Wanna Hold Your Hand" geboren wurde.) Diese "kritische Situation" kann als eine von zwei Möglichkeiten bezeichnet werden, allerdings reduzieren sie gewisse Linguistikprofessoren lieber zu einer mathematischen Gleichung, da kann sie leicht gelöst und sogar in der Brieftasche herumgetragen werden.
    Auf seine einfachste Form gebracht, lautet das Problem so: Wie ist es möglich, in einer begrenzten Welt einen Sinn zu finden, wenn ich nur von meiner Taillenweite und Hemdengröße ausgehe? Das ist eine sehr schwierige Frage, wenn wir uns vor Augen führen, daß uns die Wissenschaft enttäuscht hat. Sicher, sie hat viele Krankheiten besiegt, den genetischen Kode entschlüsselt und sogar Menschen auf den Mond gebracht, und dennoch: wenn ein Achtzigjähriger mit zwei achtzehnjährigen Cocktail-Serviererinnen in einem Zimmer allein gelassen wird, passiert gar nichts. Denn die wirklichen Probleme ändern sich nie. Kann man schließlich die menschliche Seele durch ein Mikroskop sehen? Mag sein - aber man brauchte ganz ohne Frage ein sehr gutes mit zwei Okularen. Wir wissen, daß der modernste Computer der Welt kein so hochentwickeltes Gehirn hat wie eine Ameise. Klar, das könnten wir auch von vielen unserer Verwandten sagen, aber mit denen müssen wir ja bloß bei Hochzeiten oder besonderen Gelegenheiten auskommen. Die Wissenschaft ist etwas, wovon wir ständig abhängig sind. Wenn ich Schmerzen in der Brust bekomme, muß ich mich röntgen lassen. Aber wenn die Strahlung der Röntgenaufnahme mir größere Scherereien einträgt? Ehe ich’s mich versehe, liege ich schon beim Chirurgen auf dem Tisch. Während sie mir Sauerstoff verabreichen, muß sich natürlich ein Assistenzarzt eine Zigarette anstecken. Als nächstes wird mir klar, daß ich im Bettzeug über das Welthandelszentrum fetze. Ist das Wissenschaft? Sicher, die Wissenschaft hat uns gelehrt, wie man Käse pasteurisiert. Und das kann natürlich in gemischter Gesellschaft großen Spaß machen - aber wie steht’s mit der H-Bombe? Haben Sie mal gesehen, was passiert, wenn so ein Ding zufällig von einem Schreibtisch fällt? Und wo ist die Wissenschaft, wenn man über die ewigen Rätsel nachdenkt? Wie ist der Kosmos entstanden? Wie lange treibt er sich schon rum? Begann die Materie mit einer Explosion oder durch Gottes Wort? Und wenn durch dieses, hätte Er da nicht einfach zwei Wochen eher anfangen können, um ein bißchen Nutzen aus dem wärmeren Wetter zu ziehen? Was meinen wir eigentlich, wenn wir sagen, der Mensch ist sterblich? Ein Kompliment ist das offensichtlich nicht.
    Zum Unglück hat uns ja auch die Religion im Stich gelassen. Miguel de Unamuno schreibt wohlgemut von der "ewigen Dauer des Bewußtseins", aber das ist kein kleines Kunststück. Besonders, wenn man Thackeray liest. Oft denke ich, wie erfreulich das Leben doch für den ersten Menschen gewesen sein muß, denn er glaubte an einen mächtigen, gütigen Schöpfer, der sich um alles kümmerte. Man stelle sich seine Enttäuschung vor, als er sah, daß seine Frau Fett ansetzte. Der Mensch von heute hat natürlich keinen solchen Seelenfrieden. Er befindet sich mitten in einer Glaubenskrise. Er ist, wie wir das modisch nennen, "entfremdet". Er hat die verheerenden Auswirkungen des Krieges gesehen, er hat Naturkatastrophen erlebt, er ist in Singlebars gewesen. Mein guter Freund Jacques Monod sprach oft von der Zufälligkeit des Kosmos. Er glaubte, alles im Leben ereigne sich durch puren Zufall, abgesehen möglicherweise von seinem Frühstück, von dem er das sichere Gefühl hatte, seine Wirtin mache es. Natürlich schenkt der Glaube an eine göttliche Intelligenz Gelassenheit. Aber das befreit uns nicht von unseren menschlichen Verpflichtungen. Bin ich meines Bruders Hüter? Ja. In meinem Fall teile ich diese Ehre interessanterweise mit dem Zoo im Prospect Park. Im Gefühl, ohne Gott zu sein, haben wir die Technik zum Gott gemacht. Aber kann die Technik denn wirklich die Lösung sein, wenn ein nagelneuer Buick, den mein Teilhaber Nat Zipsky steuert, im Fenster vom

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