Nebenwirkungen
Meinungsverschiedenheit über unser Vorgehen. Ich schlug vor, unsere Vorbereitungsversuche an Mäusen vorzunehmen, aber er sieht das als unnötig zaghaft an. Seine Absicht ist, Sträflinge zu benutzen und ihnen im Fünf-Sekunden-Abstand große Fleischklumpen mit der Anweisung zu essen zu geben, sie vor dem Runterschlucken nicht zu kauen. Nur dann, behauptet er, könnten wir den Umfang des Problems in seiner wahren Bedeutung erkennen. Ich widersprach aus moralischen Gründen, und Wolfsheim wurde bockig. Ich fragte ihn, ob er der Meinung sei, die Wissenschaft stünde über der Moral, und verwahrte mich gegen seine Gleichsetzung von Mensch und Hamster. Auch stimmte ich seiner etwas affektgeladenen Feststellung nicht zu, ich sei ein "Trottel ohnegleichen". Zum Glück nahm Shulamith für mich Partei.
7. JANUAR. Der heutige Tag war für Shulamith und mich sehr fruchtbar. Rund um die Uhr arbeitend riefen wir bei einer Maus Würgegefühle hervor. Das erreichten wir damit, daß wir dem Nager gut zuredeten, mächtige Portionen Gouda zu sich zu nehmen, und ihn dann zum Lachen brachten. Wie vorauszusehen, ging die Nahrung in die verkehrte Röhre, und die Maus verschluckte sich. Ich packte sie fest bei ihrem Schwanz, ließ ihn knallen wie eine kleine Peitsche, und das Käsestückchen löste sich. Shulamith und ich machten umfangreiche Aufzeichnungen von dem Experiment. Wenn es uns gelänge, das Schwanz-Peitschenknall-Verfahren auf den Menschen zu übertragen, hätten wir vielleicht schon etwas. Zu früh, um etwas zu sagen.
15. FEBRUAR. Wolfsheim hat eine Theorie entwickelt, die er unbedingt ausprobieren will, obwohl ich sie für viel zu simpel halte. Er ist überzeugt, daß ein Mensch, der sich beim Essen verschluckt hat, damit gerettet werden kann, daß man (mit seinen Worten) "dem Opfer einen Schluck Wasser zu trinken gibt". Zuerst dachte ich, er mache einen Witz, aber seine überspannte Art und die wilden Blicke deuteten darauf hin, daß er zu dem Plan fest entschlossen ist. Er ist offenbar schon seit Tagen auf und spielt mit dem Gedanken, und in seinem Labor stehen Gläser, verschieden hoch mit Wasser gefüllt, überall herum. Als ich skeptisch reagierte, beschuldigte er mich, negativ zu sein, und fing an zu zucken wie ein Discotänzer. Man sieht halt gleich, er haßt mich.
27. FEBRUAR. Heute hatten wir einen Tag frei, und Shulamith und ich beschlossen, aufs Land zu fahren. Kaum waren wir draußen in der freien Natur, da schien uns das ganze Verschlucken meilenweit entfernt. Shulamith erzählte mir, sie sei schon einmal verheiratet gewesen, und zwar mit einem Wissenschaftler, der bahnbrechende Untersuchungen an radioaktiven Isotopen vorgenommen und dessen Körper sich mitten im Gespräch vollkommen in nichts aufgelöst habe, als er vor einem Senatsausschuß aussagte. Wir sprachen über unsere persönlichen Vorlieben und Geschmäcker und entdeckten, daß wir beide dieselbe Bakterie mögen. Ich fragte Shulamith, was sie darüber dächte, wenn ich sie küßte. Sie sagte: "Klasse!", womit sie den vollen Sprühregen auf mich niedergehen ließ, der ihrem Sprachproblem eigen ist. Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß sie eine ziemlich schöne Frau ist, besonders wenn man sie sich durch eine strahlensichere Bleiabdeckung ansieht.
1. MÄRZ. Jetzt glaube ich, daß Wolfsheim verrückt ist. Er testete seine "Glas Wasser"Theorie ein dutzendmal, und keinmal erwies sie sich als wirksam. Als ich ihm sagte, er solle aufhören, wertvolle Zeit und teures Geld zu vergeuden, knallte er mir eine Petrischale aufs Nasenbein, und ich war gezwungen, ihn mit einem Bunsenbrenner in Schach zu halten. Wie stets, wenn die Arbeit schwieriger wird, nehmen die Frustrationen zu.
3. MÄRZ. Außerstande, Versuchspersonen für unsere gefährlichen Experimente aufzutreiben, waren wir genötigt, durch Restaurants und Cafeterias zu ziehen in der Hoffnung, wenn wir rasch handelten, dann sollten wir schon Glück genug haben, jemanden in Not zu finden. Im "Sans Souci Deli" versuchte ich, eine gewisse Mrs. Rose Moskowitz an den Knöcheln hochzuheben und zu schütteln, und obgleich es mir gelang, einen Riesenklumpen Mazze aus ihr rauszuschleudern, schien sie mir nicht dankbar zu sein. Wolfsheim schlug vor, wir sollten versuchen, Leuten, die sich verschluckt haben, auf den Rücken zu klopfen, und wies darauf hin, daß ihm von Fermi auf einem Verdauungskongreß vor zweiunddreißig Jahren in Zürich bedeutende Rückenklopf-Pläne empfohlen worden seien. Eine Subvention
Weitere Kostenlose Bücher