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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Ausflüchte.« »Sie haben ihm nicht geglaubt?«
    »Das hätten Sie auch nicht, wenn Sie ihn gesehen hätten. Er war völlig verschlossen, ja geradezu weggetreten. Schien sich überhaupt nicht dafür zu interessieren, dass er viele Menschen in Sorge versetzt hatte. Und dann diese Narben.« »Was für Narben.«
    »Na die an seinen Händen. Sind Ihnen die nicht aufgefallen? Sehen aus, als wären seine Hände durchlöchert worden.« »Überbleibsel seiner Verletzungen von der Entführung?«, fragte Hannah.
    Pechstein schüttelte den Kopf. »Nein. Die Verletzungen der Jugendlichen waren damals genau dokumentiert worden. Ich habe mir die Fotos noch einmal angesehen. Die Narben waren frisch. Aber egal. Lassen Sie mich erzählen, was weiter geschehen ist. Er kaufte sich ein Haus, legte sich eine umfangreiche Bibliothek zu und nahm an so ziemlich jedem regionalen Kunst- und Kulturförderprogramm teil, das es im Umkreis von hundert Kilometern gab.«
    Hannah hob ihr Kinn. »Gibt es daran irgendetwas auszusetzen?«
    »Im Gegenteil.« Pechsteins Stimme triefte vor Ironie. »Kann es etwas Schöneres geben, als wenn ein Mensch mit seinem Geld sinnvolle Dinge tut? Nicht nur war aus Michael von Stetten über Nacht ein großer Förderer des Naturschutzes und der kulturellen Eigenständigkeit dieser Region geworden, er war außerordentlich wohltätig. Förderte seinen Freund Karl Wolf, indem er ihm Ausstellungsmöglichkeiten und Förderprogramme zuschob, und erwirkte die vorzeitige Entlassung Cynthia Rodes aus der Haftanstalt Halle. Beliebt und bekannt - ein angesehener Mann mit erheblichem Einfluss. Und das mit noch nicht mal vierzig Jahren.«
    »Ich mag Ihren Ton nicht«, sagte Hannah. »Es gibt solche Menschen, na und? Sie sind ehrgeizig, zielstrebig, und sie wissen genau, was sie wollen.«
    »Sie treffen den Nagel auf den Kopf«, sagte Pechstein, und ein geheimnisvolles Lächeln umspielte seinen Mund. »Besser hätte ich es selbst nicht formulieren können.« Hannah zögerte. Pechstein wollte sie in eine bestimmte Ecke treiben. Wie auf einem Schachbrett. »Was wollen Sie damit andeuten?«
    Pechsteins Lederjacke gab ein knarrendes Geräusch von sich, als er sich mit verschränkten Armen zurücklehnte. Hannah kannte seine Körpersprache mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass das dicke Ende erst noch kam. »Was ich damit andeuten möchte, meine Teuerste, ist, dass die Begegnung in der Buchhandlung kein Zufall war. Ein Mann wie Michael von Stetten überlässt nichts dem Zufall. Er wollte Ihnen begegnen, an genau diesem Ort, zu genau dieser Uhrzeit. Ich kenne ihn lange genug, um zu wissen, wie er vorgeht.«
    »Das ist doch Unsinn. Es war ein Zufall, und das wissen Sie genau.«
    »Dann war es also auch ein Zufall, dass er genau wusste, in welchem Hotel Sie einchecken würden? Ein Zufall, dass er Ihnen durch die halbe Stadt folgte, nur um schnell vor Ihnen in die Buchhandlung zu schlüpfen? Ein Zufall, dass er sich ausgerechnet vor den Wanderführern und Karten postierte? Ich habe mir die ganze Scharade aus gebührender Distanz an geschaut, und Sie können mir glauben: Ein Zufall war das nicht.«
    Hannah bekam einen trockenen Mund. Sie hatte geahnt, dass es schlimm werden würde, aber nicht so schlimm. Ungerührt fuhr der Kriminalbeamte fort: »Nachdem ich also Zeuge dieser zufälligen Begegnung wurde, machte es mich neugierig, warum er sich so für Sie interessierte«, fuhr Pechstein unbeirrt fort. »Die Schnappschüsse, die ich von Ihnen auf dem Marktplatz gemacht habe, ließ ich durch den Computer laufen. Es hat nicht lange gedauert, um herauszufinden, dass Sie an der Himmelsscheibe von Nebra arbeiten, für die sich Michael von Stetten seit sehr langer Zeit interessiert.« Er lächelte sie an. »Darf ich Ihnen noch etwas zu trinken bestellen?« »Wie ...? Ja gern.« Hannah wusste nicht, was sie sagen sollte. Also schwieg sie. Pechstein ließ ihr Zeit und bestellte unterdessen eine Apfelsaftschorle. Es dauerte eine Weile, bis sie die Tragweite seiner Behauptung erfasst hatte. Nach einer Weile stieß sie hervor: »Wenn es wirklich so ist, wie Sie behaupten, dann hieße das ja, er wollte mich nur kennenlernen, um an die Scheibe zu kommen.«
    »An diesen Gedanken sollten Sie sich gewöhnen. Auch wenn es bitter ist.«
    Hannah spürte, dass ihre Finger zitterten. »Haben Sie eine Zigarette für mich?«
    Der Kommissar griff in seine Jackentasche und hielt ihr die Schachtel Lucky Strike entgegen. »Ich dachte, Sie rauchen nicht.«
    Hannah

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