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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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dass seit dem Fund der letzten Scheibe die Probleme in dieser Gegend erst richtig angefangen haben. Wusstest du, dass im Harz mehr Menschen spurlos verschwinden als an jedem anderen Ort Deutschlands? Dass die Polizei diese Zahlen unter Verschluss hält, weil die Fremdenverkehrsbehörde es so will? Wir befinden uns in einem Krieg, Hannah, genau an diesem Ort. Einem Krieg, der seit über tausend Jahren im Verborgenen ausgetragen wird. Wenn es dich interessiert, ich habe schriftlich niedergelegt, was damals in der Höhle geschehen ist. Ich hoffe, du kannst danach besser verstehen, was mich antreibt.« Er zog ein paar handgeschriebene Manuskriptseiten aus einem Ordner und reichte sie ihr. Hannah sagte kein Wort, als sie die Zeilen überflog. Michael konnte nur hoffen, dass seine Worte bei Hannah die erwünschte Wirkung erzielten. Ohne ihre Hilfe war das, was er vorhatte, nicht realisierbar.
    In diesem Moment ertönte von oben ein Klingeln. Michael blickte auf seine Armbanduhr. Es war kurz nach elf. Sein Besuch war endlich eingetroffen.
     
     
43
     
    Clynthia ließ Karls Hand los, als sich die Tür öffnete. Sie wusste selbst nicht, warum - es war ein Reflex.
    Vor ihnen stand Michael. Diesmal nicht im steifen Anzug mit Aktentasche, sondern lässig gekleidet mit Sweatshirt und Jeans. Gut sah er aus, auch wenn seine Stirn von Sorgenfalten durchzogen war.
    »Herzlich willkommen«, sagte er. Man sah ihm an, dass er versuchte, unbeschwert auszusehen, auch wenn ihm das nur bedingt gelang. Ein schwaches Lächeln spielte um seinen Mund. »Schön, dass ihr da seid. Kommt rein, ich möchte euch jemanden vorstellen. Und bitte glaubt mir, ich hätte euch nicht hergebeten, wenn es nicht wirklich wichtig wäre.« Er ging voran und führte sie in den Keller, in seine Höhle des Wissens, wie er ihn immer genannt hatte. Cynthia sah sich um. Ihr letzter Besuch bei Michael war Jahre her. Sie hatte damals ein paar Tage Ausgang bekommen und ihn besuchen dürfen. Hier unten hatte sich nicht viel verändert, höchstens, dass die Zahl der Bücher noch zugenommen hatte. Vor einem der Regale stand eine Frau. Sie war um die vierzig, trug eine dreiviertellange olivfarbene Cargo-Hose und ein schwarzes Jeanshemd, das ihre rotbraunen Locken gut zur Geltung brachte. Als die Gruppe den Raum betrat, legte sie die losen Blätter, in denen sie gerade las, zur Seite und wandte sich ihnen zu. Michael nahm sie bei der Hand und führte sie zu ihnen herüber.
    »Darf ich euch Hannah Peters vorstellen?«, sagte er mit einem strahlenden Lächeln. »Doktor Hannah Peters, um genau zu sein. Archäologin, Saharaexpertin und Leiterin der Forschungsabteilung Himmelsscheibe.«
    »Hannah genügt völlig«, sagte die Frau und schüttelte ihnen die Hand.
    »Das sind Cynthia Rode und Karl Wolf. Mit beiden verbindet mich eine lange Freundschaft«, sagte Michael. »Und ein schreckliches Erlebnis, ich weiß«, sagte Hannah. »Ich habe es gerade gelesen.« Sie deutete auf die Ausdrucke. »Was für eine erschütternde Erfahrung. Ich bin sehr erfreut, Sie kennenzulernen. Es tut mir furchtbar leid, was Ihnen damals widerfahren ist.«
    »Das liegt zum Glück schon lange zurück«, sagte Michael. »Wir alle haben über die Jahre gelernt, damit zu leben.« Cynthia blickte zwischen den beiden hin und her. Sie spürte, dass zwischen Michael und Hannah etwas war. Hatten die beiden ein Verhältnis? Sie meinte Michael gut genug zu kennen, um zu wissen, dass Hannah trotz ihres Alters genau sein Typ war. Sie spürte einen Anflug von Eifersucht, konnte aber nicht umhin, die zurückhaltende und bescheidene Art der Archäologin sympathisch zu finden. Karl hingegen verschränkte die Arme vor der Brust. Er hatte Cynthia bereits die ganze Herfahrt über mit seiner schlechten Laune genervt. Seine Abwehrhaltung war unübersehbar.
    »Warum sind wir hier?«, kam er denn auch gleich auf den Punkt. »Ich musste die Stadtverwaltung informieren, dass die Skulpturen nicht rechtzeitig fertig werden. Sie waren nicht erfreut, das kann ich euch sagen. Ich möchte wissen, was an diesem Termin so dringend ist, dass er sich nicht verschieben ließ.« Sein Ton war provozierend. »Karl«, zischte Cynthia.
    »Nein, lass ihn«, sagte Michael. »Er hat recht. Je eher ihr es erfahrt, umso besser. Falls ihr es in der Presse noch nicht gelesen habt, es hat einen Einbruchsversuch im Landesmuseum in Halle gegeben. Das Ziel war die Himmelsscheibe von Nebra. Nur einem glücklichen Umstand ist es zu verdanken, dass der

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