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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Michael warf Hannah einen vielsagenden Blick zu. »Um ihn zu finden, werden wir die Scheibe benötigen. Die Originalscheibe, wohlgemerkt. Ohne sie geht es nicht.«
    Hannah schwieg. Ihr Gesicht blieb ausdruckslos. »Ich habe eine Theorie entwickelt«, fuhr Michael fort. »Eine Theorie, die ich nur unter freiem Himmel überprüfen kann. Mein Besuch in Halle hat mich in dieser Beziehung leider keinen Schritt weitergebracht, aber das ist jetzt egal. Eines ist jedoch gewiss: Die Scheibe kann uns den Weg weisen. Kommt mit. Am besten, ihr überzeugt euch selbst.« Er ging voran in den hinteren Teil des Raumes, wo er seine technischen Geräte aufbewahrte. Er setzte einen Diaprojektor in Gang, der ein weißes Rechteck auf die gegenüberliegende Wand warf. Dann steckte er ein Dia in den Schlitz. Eine geographische Karte der Harzregion erschien, sehr detailliert und mit vielen Höhenlinien versehen. Cynthia brauchte nur kurz, um den Brocken zu entdecken. Mit einem Blick erfasste sie die Stelle, an der ihnen damals die Flucht gelungen war. »Also gut«, sagte Michael. »Schaut euch mal Folgendes an.« Er nahm ein zweites Dia und legte es über das erste. Schlagartig wurde es dunkler im Raum. Das Dia der Himmelsscheibe verdeckte einen Großteil der Karte. Es dauerte eine Weile, bis sich Cynthias Augen auf das schwache Licht eingestellt hatten. Einige Flecken auf der Karte leuchteten heller als die Umgebung. Es waren die Stellen, an denen sich die goldenen Sterne befanden. Überraschenderweise befanden sich überall dort markante Landschaftsmerkmale: Hügel, Berge, Höhlen. Schlagartig wurde Cynthia klar, worauf Michael hinauswollte. »Eine Karte«, sagte sie leise.
    Michael nickte. »Ich bin darauf gekommen, als ich den Ort unserer Entführung gesucht habe. Aus einer Eingebung heraus habe ich das Siebengestirn mit dem Brocken zur Deckung gebracht und diesen Stern hier unten mit der Höhle, aus der wir geflohen sind. Auf einmal fiel mir auf, dass sich ein Muster ergab.« Seine Augen leuchteten geheimnisvoll. »Jeder Stern markiert einen bestimmten Punkt in der Landschaft. Es können Hügel, besondere Felsen oder Höhlen sein. In den alten Schriften ist von Energiepunkten die Rede, an denen zu bestimmten Zeiten Opfer dargebracht werden müssen. Erst dann kann die böse Sieben zum Leben erweckt werden. Ich habe alle Punkte dieser Region besucht und bin tatsächlich fündig geworden. Getötete Vögel, zerfetzte Kaninchen, verbrannte Kräuter und zerstoßene Pilze. Eindeutige Hinweise, dass dort irgendwelche Rituale abgehalten worden sind.« Er wandte sich an die Archäologin. »Einen dieser Orte habe ich dir gezeigt.« »Fafnirs Hort.« Hannah trat vor und nahm das Dia genauer in Augenschein. »Mein Freund John behauptet auch, dass es sich um eine Karte handelt. In diesem Punkt seid ihr euch einig.«
    »Die Theorie hat er von mir«, erwiderte Michael, und in seiner Stimme war eine gewisse Schärfe zu hören. »Hat er das etwa vergessen zu erwähnen?«
    »Vermutlich steckte keine böse Absicht dahinter«, sagte sie. »Er hat geschworen, deine Identität zu schützen. Er und Stromberg haben deinen Namen niemals erwähnt.« Michael nickte. »Wenn wir mehr Zeit hätten, würde ich euch zu den Punkten führen. Leider ist die Zeit aber genau unser Problem. Wir müssen sie nutzen, um die alte mesopotamische Begräbnisstätte zu finden - und den Tempel.« »Warum diese Eile?«, meldete sich Karl, der in den letzten Minuten sehr still gewesen war. »Wäre es nicht besser, erst genauere Erkundigungen einzuziehen, ehe wir uns auf ein solch waghalsiges Abenteuer einlassen?«
    Michael schüttelte den Kopf. »Es sind nur noch wenige Tage bis zum Ende von Aiaru, dem zweiten babylonischen Monat. Der Vollmond ist beinahe überschritten. Laut der Legende verstärken die Dämonen und Hexen ab diesem Zeitpunkt ihr unheilvolles Treiben. Hinzu kommt eine weitere Besonderheit. Wer sich ein wenig für Astronomie interessiert, wird wissen, dass wir momentan eine merkwürdig lineare Konstellation der Planeten haben, wie es sie seit fünfhundert Jahren nicht gegeben hat. Dies und die Tatsache, dass es die fünfhundertste Walpurgisfeier ist, lassen nur einen Schluss zu: Es wird zu einer Anrufung kommen. Und diesmal wird sie erfolgreich sein.«
    »Nicht ohne die Scheibe«, warf Cynthia ein. »Das wissen wir nicht genau«, entgegnete Michael. »Vielleicht brauchen sie sie, vielleicht nicht. Möglicherweise haben sie inzwischen einen Weg gefunden, das Ritual auch

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