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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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auch immer damals geschehen ist, irgendwie muss es zu einer unheiligen Allianz zwischen der präkeltischen Naturmystik und dem mesopotamischen Dämonenkult gekommen sein. Die Auswüchse sind bis zum heutigen Tag spürbar. Denk nur an unsere Vorstellung vom Teufel.« Hannahs Augen wurden groß. »Dann glaubst du also, dass das Bild, das uns die christliche Kirche vom Fürsten der Unterwelt lehrt, darauf beruhen könnte?«
    Michael zog das Foto einer babylonischen Skulptur aus einem Umschlag und legte ihn auf das Buch. »Sieh ihn dir an und sag mir, dass ich unrecht habe.«
    Hannah blickte schweigend auf das Foto. Michael wusste, dass er sie überzeugt hatte. Mit leiser Stimme sagte er: »In den späteren Jahren siedelten sich im Harz verschiedene Keltenstämme an, die einer Religion angehörten, die irgendwo zwischen nordischer Mystik und mesopotamischem Götterglauben lag. Sieh dir die keltischen Waffen und Schmuckstücke an. Ihre Ästhetik ist eindeutig von den Kulturen des Mittelmeerraums geprägt. Schwerter und Kelche, die der Ilias entsprungen sein könnten. Auf die Kelten folgten die Germanen, und immer noch hielt sich beharrlich der merkwürdige Glauben, der hier entstanden war. So lange, bis eine mächtigere Religion kam.«
    »Das Christentum.«
    »Die frühen Christen haben diese Religion verachtet, ja gehasst. Sie war ihnen ein Dorn im Auge, verkörperte sie doch so ziemlich alles, was ihnen verdammenswert und verabscheuungswürdig erschien. Freie Liebe, unzüchtige Rituale, die Frau als Ursprung allen Lebens, Magie, Zauberei und Naturgottheiten. Sie verfolgten, töteten oder zwangsmissionierten ihre Mitglieder, bis sie glaubten, den Glauben mit Stumpf und Stiel ausgerottet zu haben. Dann nahmen sie die Himmelsscheiben und versteckten sie an verschiedenen, weit voneinander entfernten Orten. Sie zu zerstören, trauten sie sich nicht, dafür erschienen sie ihnen zu mächtig. Die anderen keltischen Symbole hingegen wurden verbrannt, wo immer man sie fand, und die Versammlungsorte wurden zu Orten des Teufels erklärt. Frauen, die sich nicht beirren ließen - die sich auf die alten Traditionen wie Heilkunde und Geburtshilfe verstanden -, wurden zu Hexen erklärt und gnadenlos abgeschlachtet. 1720, annähernd dreihundert Jahre nach Beginn der Hexenprozesse, fand die letzte Verbrennung auf dem Richteberg statt. Danach glaubte man den heidnischen Aberglauben endgültig überwunden zu haben. Doch man hatte sich geirrt. Ein kleiner, im Verborgenen agierender Kern hatte alles überlebt. Seine Mitglieder versammelten sich in aller Heimlichkeit, pflegten ihre Rituale und kämpften für das Überleben ihres Glaubens.«
    »Wenn man dich so reden hört, könnte man meinen, du verabscheust das Christentum genauso wie den Kult, der dir das alles angetan hat.«
    Michael zögerte. »Religionen haben sich gegenüber Andersgläubigen seit jeher intolerant verhalten, bis hin zu blutigen Auseinandersetzungen. Es liegt in der Natur des Menschen, sich abzugrenzen und alles zu bekämpfen, was ihm fremd ist. Es sind schreckliche Dinge geschehen, auf beiden Seiten, und es ist unmöglich, zu sagen, wer damals mit dem Morden angefangen hat. Aber eines ist sicher: Die Christen haben sich diesen Leuten gegenüber alles andere als untadelig verhalten, egal was in der Bibel steht. Jedoch sind es nicht die Christen, um die ich mir Sorgen mache, es ist diese Sekte. Ihre Wut ist verständlich, und sie wird ihre Mitglieder zu schrecklichen Dingen treiben, wenn man sie nicht aufhält. Über die Jahrhunderte hat ihr Zorn sogar noch zugenommen. Man suchte nach einem Weg, dem alten Glauben wieder Macht und Ansehen zu verleihen. Man will dem Christentum einen Schlag zufügen, den es nicht überlebt. Und endlich scheint man die Lösung gefunden zu haben. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der vierten Himmelsscheibe. Drei von ihnen hatte man bereits in früheren Jahrhunderten wiederentdeckt. Als das richtige Zeitfenster gekommen war, versuchte man, die Zeremonie ohne die vierte Scheibe durchzuführen. Doch irgendetwas ging schief. Ich war damals bei der Zeremonie anwesend, ich habe es mit angesehen. Offenbar war es nicht möglich, die Beschwörung ohne die vierte Scheibe durchzuführen. 1999 tauchte sie dann auf, elf Jahre nach meiner Gefangennahme. Noch einmal drei Jahre verstrichen bis zum Bekanntwerden des Fundes. Hätte die Sekte damals bereits alle vier Scheiben in ihrem Besitz gehabt, wir hätten die Nacht vermutlich nicht überlebt. Tatsache ist,

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