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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Trotzdem würde es das Beste sein, wenn sie sich kurz angebunden gab. Keine Zeit für Geplauder, tut mir leid. Wichtige Termine, Sie wissen schon. Großer Gott, sie spürte jetzt schon, wie ihr der Schweiß auf die Stirn trat. Hoffentlich konnte sie ihr Pokerface wahren, bis sie mit dem Diebesgut wieder draußen war. Sonst würde es eine Katastrophe geben. Vor dem Eingang standen zwei Beamte. Einer von ihnen, ein junger Mann von vielleicht zwanzig Jahren, war ihr bereits zuvor aufgefallen, weil seine Dienstmütze die ohnehin leicht abstehenden Ohren zusätzlich nach außen drückte. »Guten Morgen, Frau Dr. Peters«, sagte er. »Für Sie gibt es wohl auch keinen freien Tag, oder?«
    »Überstunden gehören zum Geschäft«, erwiderte sie. »Im Gegensatz zu Ihnen werden wir nach Ergebnissen bezahlt, nicht nach Stunden. Sie ahnen gar nicht, wie sehr ich Sie manchmal darum beneide.«
    »Trotzdem hätte man Ihnen etwas Ruhe gönnen können. Nach allem, was Sie durchgemacht haben.«
    Hannah zuckte die Schultern. »Das war meine Entscheidung. Ein bisschen Arbeit lenkt mich wenigstens ab.« »Verstehe.« Er deutete auf den Koffer. »Darf ich fragen, was Sie darin transportieren?« Und mit einem entschuldigenden Lächeln fügte er hinzu: »Ich muss Sie das fragen, fürs Protokoll.«
    »Hier drin? Nichts.« Sie ließ den Koffer aufschnappen, lange genug, damit sich beide Beamten überzeugen konnten, dass er leer war. Doch der Eindruck trog. Gut verborgen unter einer Einlage aus schwarzem Schaumstoff lag das Duplikat. Auf den ersten Blick war davon nichts zu erkennen. Einer genaueren Untersuchung hätte das Versteck allerdings nicht standgehalten. »Ich bin gekommen, um eine Reproduktion aus dem Safe zu holen und nach Washington ans Smithsonian Institute zu schicken.«
    »Aha.« Der Beamte tat so, als wüsste er, wovon Hannah sprach, und wirkte zufrieden. »Na, dann gehen Sie mal. Ich bereite so lange den Entnahmeschein vor. Den unterzeichnen Sie mir dann beim Hinausgehen bitte noch.«
    »Klar, mach ich.« Hannah lächelte kurz angebunden und ging an den beiden Beamten vorbei ins Innere. Die erste Hürde war genommen. Erst jetzt spürte sie, wie trocken ihr Hals war. Je eher sie hier wieder weg war, umso besser. Sie bekam Beklemmungen bei dem Gedanken, was ihrem Kollegen vor wenigen Stunden in diesem Gebäude widerfahren war. Nachdem die Spurensicherung ihre Arbeit beendet hatte, waren die Räume zwar von den Folgen des Kampfes gereinigt worden, trotzdem: Die Erinnerung an diese Videobilder war noch sehr präsent.
    Angespannt hastete sie weiter. Sie betrat den Aufzug und drückte die unterste Taste. Täuschte sie sich, oder war es hier drin wirklich so heiß? Sie lockerte ihren obersten Hemdknopf und fächelte sich Luft zu. Stickig war es hier, als wäre seit Ewigkeiten nicht gelüftet worden. Als sie glaubte, nicht mehr atmen zu können, hielt der Lift an und öffnete sich. Eine kühle, nach Desinfektionsmitteln und frischer Farbe riechende Brise wehte ihr entgegen. Sie verließ den engen Stahlkasten und blickte sich um. Die Maler hatten wahre Wunder vollbracht. Sämtliche Rückstände, die die Kreaturen bei ihrem Angriff zurückgelassen hatten, waren von den Wänden entfernt worden. Abgekratzt wäre wohl das treffendere Wort gewesen. Man hatte frisch tapeziert und den Gang in einem angenehmen Cremeweiß gestrichen. Er sah jetzt besser aus denn je. Trotzdem glaubte Hannah einen schwachen Geruch nach Exkrementen wahrzunehmen. Oder war das nur ihre Einbildung? Mit einem leichten Würgereiz durchquerte sie den Gang. Die alles überragende Frage lautete: War der Sicherheitscode seit dem Überfall verändert worden? Hatte Feldmann in dem ganzen Trubel überhaupt Zeit dazu gefunden? Nun, sie würde es bald genug herausfinden. Hannah zog ihre Magnetkarte durch, wartete, bis sich das Display geöffnet hatte, dann tippte sie die achtstellige Ziffernfolge ein. Bange Sekunden verstrichen, dann erschien der ersehnte Schriftzug: Please insert your key.
    Hannahs Hände entspannten sich. Ihre Fingernägel hatten rote Abdrücke auf ihren Handflächen hinterlassen. Es hatte geklappt. So unglaublich es klingen mochte, aber Dr. Feldmann hatte den Code tatsächlich nicht verändert. Hannah atmete auf. Bis zu diesem Moment hatte sie nicht wirklich an das Gelingen dieses Unternehmens geglaubt. Erst jetzt, als die Tür zum Tresor langsam aufschwang, wurde ihr bewusst, dass der Plan tatsächlich funktionieren konnte. Nur noch eine einzige Hürde

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