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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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durcheinander, dann wurde es still. »John?«
    Keine Antwort.
    Sie zwängte sich durch den Spalt und sah sich um. Die Höhle vor ihr war in gespenstisches Dunkel getaucht. Nur der Mond schien durch das Loch in der Decke. Ein seltsamer Geruch hing in der Luft. »Michael? Karl? Cynthia?« Sie atmete schwer.
    »Warum habt ihr die Lampen ausgemacht?« Angst schnürte ihr die Kehle zu. Vorsichtig ging sie vorwärts. Vor ihr, in der mondhellen Pfütze, lag ein Körper. Beim Näherkommen erkannte sie eine Hand, in der sich noch eine Schusswaffe befand.
    »Großer Gott«, flüsterte sie. Es war John. Sein Gesicht lag im Wasser. Seine reglosen Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen.
    Plötzlich bemerkte sie eine Bewegung zu ihrer Rechten. Das Wasser reflektierte das Mondlicht und beleuchtete einen schmalen Streifen zotteliges Fell. Sie wollte schreien, doch dazu kam es nicht mehr, denn auf einmal hörte sie einen Knall. Es klang, als würde etwas platzen. Eine Wolke aus feinem Staub hüllte sie ein, drang in ihre Augen, ihren Mund, ihre Nase. Sie spürte, wie sich der Staub einem Schatten gleich auf ihre Lunge legte. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Alles drehte sich, dann spürte sie nichts mehr.
     

      
     
57
     
    Es war kurz nach zwanzig Uhr, als in Schierke das offizielle Abendprogramm eingeläutet wurde. Die Luft erzitterte unter dem akustischen Ansturm dreier Live-Bands und den Ansagen etlicher Schausteller, die sich gegenseitig akustisch zu überbieten versuchten. Neben einem bekannten und bewährten Entertainer, der sich auf Wolfgang-Petry- und Peter-Maffay-Imitationen spezialisiert hatte, waren zum ersten Mal die kölsche Bluesband Querbeet und das keltische Rockensemble Institoris vertreten, beide mit verblüffend großen Lautsprechertürmen. Dumpfes Dröhnen erfüllte den Talkessel. Das schöne Wetter und die großangelegte Werbekampagne hatten in diesem Jahr zehntausend Menschen in den verschlafenen Kurort gelockt.
    Zu viele, wie Steffen Werner fand.
    Nach dem Treffen in Magdeburg hatte Ida ihn abkommandiert, die Sondereinheit Schierke zu leiten und das zu tun, was der Polizeipräsident ihnen geraten hatte: Präsenz zu zeigen. Etwas anderes blieb ihnen auch nicht übrig. Immerhin war dies Steffens erster eigener Einsatz, ein Auftrag, der große Verantwortung, aber auch die Möglichkeit einer lobenden Erwähnung barg.
    Steffen wartete schon lange auf eine solche Chance. Während Ida sich mit ihrem mobilen Einsatzteam ständig in Bewegung befand, durfte er stationär arbeiten, eine Aufgabe, die ihm schon allein wegen Idas kriminellem Fahrstil sehr entgegenkam.
    Trotzdem durfte er die Aufgabe nicht auf die leichte Schulter nehmen. Das Verkehrsaufkommen am Ortseingang von Schierke war bereits am frühen Nachmittag so groß gewesen, dass etliche Fahrzeuge wegen chronischer Überfüllung der Park-plätze abgewiesen werden mussten. Eine Maßnahme, die von den betreffenden Gästen mit Protestgeheul und hochroten Köpfen quittiert worden war. Schierke platzte aus allen Nähten. Er war froh, dass sich die Einsatzzentrale in der Jugendherberge am ruhigen Nordende des Ortes befand. Trotzdem war es auch hier schon zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und einigen betrunkenen Randalierern gekommen. Fliegende Flaschen, Blutergüsse und ein paar geprellte Rippen waren die traurige Bilanz. Er hatte die kleine Gruppe Jugendlicher schnell zusammentreiben lassen, isoliert und in einer grünen Minna Richtung Braunlage zur Verwahrung geschickt. Dort konnten sie ihren Suff über Nacht auskurieren. Steffen, der nach dem Einsatz die Zentrale verlassen hatte und einen kleinen Fußmarsch zum nahe gelegenen Rathaus antrat, ließ seinen Blick über die tanzende und johlende Menschenmenge schweifen. Mochte der Himmel wissen, was das alles noch mit Hexen und Dämonen zu tun hatte. Immerhin waren ein paar sehr hübsche Frauen unterwegs, die wegen der angenehmen Temperaturen nur leicht bekleidet waren. Ein Anblick, den er genoss.
    In diesem Augenblick knackte sein Funkgerät. »Kommissar Werner? Hier Meissner.« »Was gibt es?«
    »Wir haben hier wieder eine Meldung aus dem Brockenstübchen. Der Besoffene ist wieder da.« »Das ist ein Scherz, oder?«
    »Nein, der Wirt sagt, er wäre gerade eben wieder zur Tür rein spaziert und hätte behauptet, wir hätten ihm erlaubt, sich noch ein Bier zu bestellen.«
    »Wir?«
    »Ja. Wörtlich hat er gesagt: ‚Meine Kollegen‘.« »Bin gleich da.«
    Steffen informierte die

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