Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
Vom Netzwerk:
Bereitschaftspolizisten kurz über die Situation, dann machte er sich auf den Weg hinüber zum Brockenstübchen. Der Typ war wirklich hartnäckig. Ein beinahe zwei Meter großer, langhaariger Mann, der steif und fest behauptete, als verdeckter Ermittler für die Kripo Kiel zu arbeiten. Eine Behauptung, die natürlich völlig haltlos war. Er hatte wie wild mit einem Ausweispapier herumgewedelt, das sich bei näherer Betrachtung als Führerschein erwiesen hatte. Sein Glück, dass er nur zu Fuß unterwegs war. Wäre der Mann nicht so einsichtig gewesen, hätte Steffen ihn mitsamt den Jugendlichen gleich nach Braunlage geschickt. Dass er jetzt wieder aufgetaucht war, änderte die Lage. Diesmal würde er ihn nicht wieder ziehen lassen.
    Steffen bahnte sich seinen Weg durch die wogenden Massen, dann überquerte er die Straße und ging zur Gastwirtschaft hinüber.
    Im Goethesaal hatten sich hundertfünfzig geladene Gäste versammelt, unter ihnen allerlei Prominenz aus dem Film-, Fernseh- und Musikgeschäft. Mit Spannung erwarteten sie den Beginn der Rockoper Faust, die seit einigen Jahren mit großem Erfolg an Walpurgis lief und den Ruf einer Kultveranstaltung genoss. Danach wartete im Brockenhotel ein großes Büfett auf die Gäste, die um elf Uhr hierher zurückkehren und mit Live-Musik in den ersten Mai tanzen würden. Wer kein Zimmer gebucht hatte, den würde die Brockenbahn in einer eigens anberaumten Sonderfahrt um zwei Uhr nachts wieder ins Tal bringen.
    Hotelmanager Bertram Renz blickte auf die Uhr. Kurz vor halb neun. Hinter der Bühne liefen die letzten Vorbereitungen, und es sah so aus, als könnten sie pünktlich anfangen. Er wurde hier nicht mehr gebraucht. Lächelnd verabschiedete er sich und ging hinaus. Er wollte die Ruhe vor dem Sturm nutzen, um sich kurz die Beine zu vertreten und etwas Luft zu schnappen.
    Ein milder Wind empfing ihn draußen. Was für ein Abend. Viel zu schön, um ihn dichtgedrängt und auf unbequemen Stühlen sitzend im Goethesaal zu verbringen.
    Renz liebte diese Momente, wenn die Sonne hinter dem Horizont versank und das Land zu seinen Füßen in flüssiges Gold verwandelte. Dann wusste er wieder, warum er sich für dieses Hotel entschieden hatte.
    Eine kleine Gruppe von Wanderern kam die Brockenstraße herauf. Offenbar Naturfreunde, die die späten Abendstunden bevorzugten. Hoffentlich hatten sie daran gedacht, sich für den Abstieg mit Taschenlampen zu versorgen. Es hatte schon Fälle gegeben, in denen verirrte Wanderer müde, verdreckt und unterkühlt am nächsten Morgen aufgegriffen worden waren und ärztlich versorgt werden mussten. Die Wanderer waren jetzt nahe genug, so dass Renz sie genauer in Augenschein nehmen konnte. Seine Miene verdüsterte sich. Er erkannte Schlafsäcke, Lederjacken und Rastafrisuren. Zwei von den Typen trugen längliche Stangen auf ihren Schultern, die sich bei näherem Hinsehen als Didgeridoos, australische Blasinstrumente, entpuppten. Hinter der ersten Gruppe tauchte jetzt eine zweite auf. Diesmal waren es fünf zumeist jugendliche Frauen, die mit allerlei Ketten und langen Ohrringen geschmückt waren. Die beiden Gruppen, die vermutlich zusammengehörten, machten den Eindruck, als wollten sie hier oben eine wilde Party feiern. Ein zerlumpter Haufen von Esoterik-Jüngern, wie es schien, der sich vorgenommen hatte, die Nacht zum ersten Mai mit Rauschgift, Sex und Tanz über dem Feuer zu zelebrieren.
    Bertram Renz' gute Laune war schlagartig verflogen. Er würde diese Veranstaltung im Keim ersticken. Abgesehen davon, dass hier oben freies Kampieren und offenes Feuer streng verboten waren, hatte er keine Lust, dass sein Hotel in die Schlagzeilen geriet. Drogenexzesse und Hexenorgien am Brocken, das hatte ihm gerade noch gefehlt. Was dachten denn die Leute, wo sie hier waren?
    Er griff zum Handy und tippte die Nummer des Sicherheitsdienstes ein. Die Jungs würden diesen verlausten Freaks schon zeigen, wo es langging.
    Während er die Wähltaste drückte und darauf wartete, dass sich jemand auf der anderen Seite meldete, wanderte sein Blick hoch zum Himmel.
    Was er dort sah, ließ ihn fasziniert innehalten. Er sah Sternschnuppen. Nicht eine oder zwei. Ganze Kaskaden von ihnen stürzten vom Himmel und erfüllten die Nacht mit einem magischen Leuchten.
     
     
58
     
    Rintrah grollt und schüttelt seine Feuer
    In der drückenden Luft.
    Hungrige Wolken hängen über der Tiefe.
    Demütig und auf gefährlichem Pfad,
    Folgte der Gerechte einst seinem Weg
    Durch das

Weitere Kostenlose Bücher