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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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konnte, deutete ihre Zurückhaltung als Zustimmung. »Ich will, dass du meine Frau wirst. Ich will, dass du meine Priesterin wirst und meine Göttin. Gemeinsam werden wir eine Dynastie von Priestern gründen. Ein neues Zeitalter wird beginnen, ein Zeitalter der spirituellen Erneuerung, so, wie es in den alten Schriften geweissagt wurde. Es ist deine Bestimmung.«
    »Warum sollte ich das tun?« Hannahs Stimme war klar und hell. Sie war von einer solchen Ausgeglichenheit, dass es John den Atem verschlug. Hannah erstrahlte in diesem Moment in geradezu überirdischer Schönheit. Kein normaler Mensch hätte im Angesicht eines leibhaftigen Dämons eine solche Ruhe bewahren können.
    »Habe ich dir nicht schon genug geboten?« Michael hob den Kopf. »Nun, lass dir gesagt sein, dass du als meine Priesterin gleichzeitig die Herrin über Leben und Tod sein wirst. Es steht dir frei, die Gefangenen zu verschonen. Ich werde sie ziehen lassen, wenn du das wünschst.« Ein verschlagenes Lächeln deutete sich in seinem Gesicht an. »Es könnte sich sogar als nützlich erweisen. Kaum jemand dürfte geeigneter sein, die Botschaft unter das Volk zu bringen, als sie, die sie Augenzeugen dieses Wunders waren, findest du nicht? Also? Wie lautet deine Antwort?« »Niemals.« »Hannah ...« »Niemals.«
    Michael sah sie schweigend an. Funken schienen aus seinen Augen zu sprühen. »Wie du willst.«
    Mit einer Bewegung seiner Hand lenkte er die Aufmerksamkeit des Dämons auf die beiden gefesselten Männer. Es geschah so schnell, dass John zuerst gar nicht begriff, was vor sich ging. Bis er die Schreie hörte. Flammen hüllten die beiden Männer ein, während der Dämon sich ihnen näherte. John sah, wie Hannah sich auf Michael stürzte. Er wollte ihr zu Hilfe eilen, doch er konnte nicht. Mit Schrecken sah er, dass die beiden Gefangenen in einem Flammenmeer verschwanden und von der Hitze verzehrt wurden. Furcht und Entsetzen lähmten ihn, saugten jegliche Energie aus seinem geschwächten Körper. Er musste etwas unternehmen, doch der Anblick der brennenden Körper war so entsetzlich, dass er nicht anders konnte, als seine Augen zu schließen. Es war, als würde das Grauen sich in sein Inneres fressen und jeden Gedanken auf Hoffnung auslöschen. Es gab keine Rettung. Der Dämon würde sie alle verzehren. Er würde über die Welt herfallen wie am Tag des Jüngsten Gerichts und eine Spur der Verwüstung hinter sich herziehen, die nur vergleichbar wäre mit den verheerenden Auswirkungen der letzten großen Kriege. Es gab kein Entkommen vor dieser Urgewalt, war sie erst einmal losgelassen. Der einzige Moment, daran noch etwas zu ändern, war jetzt. Hier.
    In diesem Moment tiefster Verzweiflung spürte John eine Veränderung in sich. Es war, als würde sich tief in seinem Inneren ein Knoten lösen. Das Band der Angst, das seinen Willen mit eiserner Faust gefangen hielt, lockerte sich. War es die Ausweglosigkeit ihrer Situation, die ihm neue Kraft gab, oder sein tief verwurzelter Glaube an das Gute? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass Hannah ihn brauchte. Wenn schon sterben, dann wenigstens kämpfend. Er sprang auf und rannte los.
    Die Luft kochte. Cynthia hielt die Hände schützend gegen die unerträgliche Helligkeit erhoben. Sie konnte nicht erkennen, was vor sich ging, aber augenscheinlich gab es einen Kampf. Hannah rang mit Michael. John war ebenfalls aufgesprungen und eilte der Archäologin zu Hilfe. Cynthia hatte sich gerade entschlossen, den beiden ebenfalls zu helfen, als etwas sie am Knöchel berührte. Der Wächter, der bis jetzt ruhig zu ihren Füßen gelegen hatte, bog und krümmte sich. Unter seinem zottigen Fell bewegten sich die Muskeln. Ein Zittern lief über seinen Rücken, ganz so, als würde er frieren. Der letzte Schlag hatte ihn zwar besiegt, aber offenbar nicht getötet. Unvorstellbar. Selbst Hannahs wohlgezielter Stich war nicht in der Lage gewesen, ihn zur Strecke zu bringen. Diese Kreatur war nicht von dieser Welt. Einen Moment lang schwankte Cynthia, was sie tun sollte, doch dann entschied sie sich zu bleiben. Sie erinnerte sich nur zu gut daran, was diese Wesen Karl angetan hatten. Sie würde nicht zulassen, dass so etwas noch einmal geschah. Den Fuß auf seinen Rücken gestemmt, zog sie die Klinge aus dem Körper des Wächters, bereit, sie dem Wesen noch einmal in den Leib zu rammen. Sie hob das Metall über ihren Kopf und zielte genau auf sein Herz, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung bemerkte. Eine flüchtige

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