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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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sich nicht erinnern, jemals ein solch apokalyptisches Szenario erlebt zu haben. Sie war so versunken, dass sie aufschrak, als Steffens Funkgerät sich meldete.
    »Hallo? Ja, am Apparat.« Der Blick des jungen Kommissars wanderte zu Ida, während er das Gerät ans Ohr presste. Ein besorgter Ausdruck war auf seinem Gesicht erschienen. »Ich ... ich verstehe Sie nicht. Sie haben was...? Wiederholen Sie das noch mal!«
    »Was ist denn los?« Ida hielt es nicht mehr aus und griff sich den Apparat. »Kriminalhauptkommissarin Benrath hier. Ja, persönlich. Was geht bei Ihnen vor? Sind die Löschfahrzeuge endlich eingetroffen?«
    Die Stimme am anderen Ende war aufgrund des Lärms kaum zu verstehen. »Hier herrscht das reinste Chaos«, schepperte die Stimme des Hubschrauberpiloten über das Dröhnen der Rotoren hinweg aus dem Lautsprecher. »Einige Dutzend Menschen haben versucht, mit ihren Autos den Ort zu verlassen. Dabei ist es an der schmälsten Stelle, dort wo die Straße nach Unterschierke abzweigt, zu einem Unfall gekommen. Drei Fahrzeuge haben sich ineinander verkeilt. Auf der einen Seite haben wir jetzt einen Riesenstau. Von der anderen Seite sind soeben die Löschfahrzeuge eingetroffen, die aber nicht mehr vorbeikommen. Es geht weder vor noch zurück. Was soll ich den Einsatzkräften sagen?« Aus der Stimme des Piloten klang der pure Frust. Ida biss sich auf die Unterlippe. Ihre Gedanken rasten. Mit einem Blick auf die immer höher lodernden Flammen antwortete sie: »Geben Sie Befehl an die Beamten raus, dass sie die Leute aussteigen und zu Fuß laufen lassen sollen. Wir können hier nichts mehr für sie tun. Sagen Sie ihnen, sie sollen aufpassen, dass sich die Leute in ihrer Panik nicht selbst über den Haufen rennen. Und dann machen Sie, dass Sie selbst von hier wegkommen. Es gibt hier nichts mehr für Sie zu retten. Rausholen können Sie uns bei den Turbulenzen ohnehin nicht. Wir werden Ihnen folgen, sobald wir den Rest des Teams verständigt haben. Benrath Ende.« »Verstanden.« Der Pilot unterbrach die Verbindung. Einen Anflug von Panik unterdrückend, blickte sie zu dem davonfliegenden Hubschrauber und den sich emporwindenden Flammen hinauf. Das Schlimmste, was passieren konnte, war eingetreten. So sah es also aus, wenn man es mit einem WCS zu tun hatte, einem worst case szenario. Etwas, was jeder Absolvent der Polizeischule gelernt hatte, auf das aber niemand vorbereitet war, wenn es tatsächlich eintrat. Dies hier war so ein Fall. Auf der einen Seite ein immer stärker werdendes Feuer, auf der anderen Seite ein Haufen panischer Menschen, die sich selbst im Wege standen. Dazwischen sie.
     
     
71
     
    Michael von Stetten spürte die Mächte des Windes und des Feuers durch seine Adern strömen. Er konnte spüren, wie die Jahrtausende zu einem Augenblick verschmolzen, wie Himmel und Hölle ihre Pforten öffneten und das Universum neu entstehen ließen. Sein Universum. Ein Ort, an dem die Welt wieder zu ihrer alten Ordnung zurückfinden würde. Dank seiner Tat würden die Menschen wieder zum wahren Glauben finden. Sie würden lernen, zu dienen und Ehrfurcht vor der Schöpfung zu empfinden. Schluss mit Scharlatanerie und Aberglauben. Schluss mit vollgefressenen Kirchendienern und ihren selbstherrlichen Anführern. Er würde sie aus ihren Palästen jagen und ihre Tempel niederbrennen. Es war Zeit, zu beweisen, was wahre Macht bedeutete. Die Kräfte in ihm waren so übermächtig, dass sie ihn fast zu zerreißen drohten. Hätte er sich nicht jahrelang auf diesen Augenblick vorbereitet, seine Seele hätte den Mächten vermutlich nicht standgehalten. Doch dank seiner Gebete war er in der Lage, die enormen Energieströme, die durch ihn hin-durchflossen, zu bändigen und zu kontrollieren. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Nach all den Jahren hatte er es tatsächlich geschafft. Er war Beherr-scher des Pasusu, des Fürsten der Dämonen. Sein Wille war Befehl. Ein einziges Wort von ihm konnte Tod und Verderben bringen. Den ersten Schlag hatte er bereits geführt. Er hatte den Dämon auf das Brockenhotel losgelassen, jenen Schandfleck, der seit über fünfzig Jahren den Gipfel des heiligen Bergs verunstaltete. Von dem einstmals so imposanten Gebäude dürften kaum mehr als rauchende Trümmer übrig geblieben sein. Der zweite Schlag würde ins Herz der Walpurgisfeiern treffen. Seit Jahren schon war ihm diese Ansammlung von Kirmesbuden und Diskotheken ein Dorn im Auge. Was unter dem Zeichen von Beltane in

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