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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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verzogen, der so aussah, als wäre er mit einem Messer ins Gesicht geschnitten worden. John spürte, wie es ihm eiskalt den Rücken herunterlief. Dieses Lächeln konnte nichts Gutes bedeuten. Er spürte, dass dieser Mann etwas Schreckliches im Schilde führte. Sie mussten das hier beenden. Ganz schnell.
    Das Wunder, auf das Hannah gehofft hatte, trat ein. Der Druck, mit dem der Wächter ihre Arme am Boden hielt, ließ plötzlich nach. Er riss seinen Kopf hoch und stieß einen markerschütternden Schrei aus. Den Kopf hin und her werfend, sah er aus, als würde etwas ihm unerträgliche Schmerzen bereiten. Ehe Hannah dahinterkam, was hier eigentlich vor sich ging, ließ er vollends von ihr ab und drehte sich um. Von einer auf die andere Sekunde war die Archäologin frei. Hannah runzelte die Stirn - und verstand. Die Spitze eines Schwertes ragte aus seinem Rücken. Blut quoll aus der Wunde und tropfte auf die Archäologin. Als sie Cynthias Kopf hinter dem Wächter auftauchen sah, fügten sich die Abläufe zusammen. Die Frau musste dem Angreifer ihr Schwert in den ungeschützten Rücken gerammt haben, während dieser damit beschäftigt war, Hannah zu Boden zu drücken. Eine mutige Aktion, die allerdings nicht ohne Folgen bleiben würde. Denn noch war der Wächter nicht tot. Mit einem leichten Humpeln ging er zum Angriff über.
    Hannah wurde klar, dass er nur von ihr abgelassen hatte, um sich der unbewaffneten Cynthia zuzuwenden. So weit durfte es nicht kommen. Während der Wächter sich sprungbereit machte, trat sie hinter ihn, packte das Schwert und zog es mit aller Kraft aus der Wunde. Noch ehe das Biest reagieren konnte, stieß sie erneut zu. Das Metall fühlte sich an, als würde es in zähes Leder fahren.
    Der Wächter stieß einen röchelnden Schrei aus und sackte zusammen. Seine Augen wurden starr.
     
     
70
     
    Ida hatte gerade ihre Hand auf die Türklinke der Einsatzzentrale gelegt, als ein Leuchten am Rande ihres Gesichtsfeldes sie innehalten ließ. Sie drehte sich um. Keine hundert Meter von ihr entfernt schlugen die ersten Flammen aus dem Wald. Die Flammenwand hatte Schierke erreicht. Mit einem Fluch auf den Lippen öffnete sie die Tür und stürmte hinein. In der Zentrale ging es zu wie in einem Bienenstock. Sie entdeckte Steffen inmitten einiger Kollegen, die sich um eine Karte geschart hatten und heftig debattierten. Es ging zu wie in einem Tollhaus.
    Steffen, der gerade irgendwelche Befehle in ein Handy brüllte, hob die Hand. Hastig beendete er das Gespräch und kam zu ihr herüber.
    »Ida!« Seine Erleichterung war nicht zu übersehen. »Mein Gott, bin ich froh, dich zu sehen. Wie bist du hergekommen?« »Über die Waldstraße. Dein Kollege am Ortseingang hat mir alles erzählt. Ich gebe zu, zuerst war ich wütend, dass du meinen Befehl einfach ignoriert hast, aber rückwirkend betrachtet, hattest du recht. Du solltest allerdings ein paar Leute zu den unteren Parkplätzen schicken. Da laufen überall Leute herum, die kurz vor einer Panik stehen. Einige von ihnen haben sich in ihren Autos verbarrikadiert.« »Ich werde mich gleich darum kümmern.« »Und wo bleiben die Löschfahrzeuge?«
    »Ich habe gerade mit ihnen telefoniert«, sagte Steffen. »In wenigen Minuten werden sie hier sein.« »Wenn das mal reicht.« »Wie meinst du das?«
    »Hast du in den letzten Minuten mal einen Blick ins Tal geworfen?«
    Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn dann aber wieder. Mit sorgenvollem Blick eilte er an der Kommissarin vorbei nach draußen. Als Ida ihn erreichte, starrte er in die Flammenwand, die Hand gegen die plötzliche Helligkeit erhoben. Das Feuer war in der Zwischenzeit bis auf etwa fünfzig Meter an das Gebäude herangekommen. Die Hitze war mörderisch. Ein starker Wind hatte eingesetzt und wehte ihnen ins Gesicht. Er schien dem Zentrum des Feuers zu entspringen.
    »Eigenartig«, rief Ida ihrem Assistenten zu. »Was denn?«
    »Der Wind. Er weht uns entgegen. Eigentlich dürfte das gar nicht der Fall sein. Eigentlich weht der Wind immer zum Feuer hin und nicht umgekehrt.« Sie deutete auf einen weißglühenden Bereich, in dem es unablässig zuckte und rumorte. Voller Verwunderung starrte die Kommissarin in das Feuer. Die Flammen nahmen immer neue Formen an. Mal sahen sie aus wie Arme, die sich in den Himmel reckten, dann wieder wie gewaltige Flügel, die die Luft durchpflügten und Funken in die Luft peitschten. Glühende Asche wurde in den rot erleuchteten Himmel gewirbelt. Ida konnte

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