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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Feldmann war mal wieder bei seinem Lieblingsthema angelangt - dem lieben Geld. Mit gerötetem Gesicht stand er auf und begann mit einem Vortrag, den Hannah so oder so ähnlich schon mindestens dreimal gehört hatte.
    »Sie wissen doch, wie das ist mit dem Gedächtnis der Menschen«, fuhr er fort. »Es ist löchrig wie ein Sieb. Muss ständig gefüttert werden. Die Halbwertszeit von Nachrichten beträgt nicht mal einen Monat. Wer redet heute noch von BSE, Vogelgrippe oder Aids? Heute regt sich alle Welt darüber auf, doch schon morgen kann sich kein Mensch mehr daran erinnern. Und genauso ist es auch mit Funden wie unserem. Was meinen Sie, warum ich so bestrebt bin, die Scheibe dauernd in Umlauf zu halten, warum ich den Aufwand auf mich nehme, ständig neue Ausstellungen zu organisieren? Das Interesse der Öffentlichkeit bleibt nur bestehen, wenn wir es weiterhin mit neuen Erkenntnissen füttern. Am besten mit Erkenntnissen, die geeignet sind, es auf die Titelseiten des Spiegel oder des Stern zu bringen. Können Sie mir die liefern? Nein. Hat Ihre Reise dazu beigetragen, dass wir diesem Ziel ein Stück näher kommen? Nein.« Feldmann hob die Hand, als Hannah Widerspruch einlegen wollte. »Und kommen Sie mir bitte nicht mit Ihren angeblich so neuen Erkenntnissen über die Plejaden und die Sonnenbarke. All das haben wir schon lange vorher gewusst - oder zumindest vermutet. Es ist so viel im Vorfeld darüber geschrieben und berichtet worden, dass der Beweis unserer These bestenfalls noch dazu taugt, bei einigen Fachleuten ein Anheben der Augenbraue zu bewirken.« Er setzte sich wieder und schüttelte den Kopf. »Es fällt mir schwer, Ihnen das zu sagen, aber Ihre Anstellung hat sich für mich bisher noch nicht ausgezahlt.«
    »Ich weiß nicht, was Sie wollen«, protestierte Hannah. »Ich habe die Materialanalyse für Sie abgeschlossen. Die metallurgischen Gutachten liegen vor, ebenso die Bewertungen über Alter, Ursprung und Funktionsweise der Scheibe. Ich habe bewiesen, dass die Scheibe kein Importprodukt ist, sondern tatsächlich hier gefertigt wurde. Dass die spezielle Lage und Größe der Horizontbögen nur den Schluss zulässt, dass die Scheibe in unseren Breiten eingesetzt wurde. Sie ist praktisch eine Miniaturausgabe der jungsteinzeitlichen Kreisgrabenanlage von Goseck, ein tragbares Sonnenobservatorium. Vor diesem Hintergrund dürften die Ergebnisse auch den letzten Kritiker zum Schweigen gebracht haben.«
    »Leider nicht. Sie wissen doch selbst, wie das ist: Den endgültigen Beweis für die Echtheit können wir nur erbringen, wenn wir es schaffen, die Scheibe in eine Reihe von Funden einzuordnen, die in einem Bezug dazu stehen. Parallelfunde - Münzen, Tontafeln, Stanzungen, Ritzungen oder Reliefe - irgendetwas, auf denen das verdammte Ding zu sehen ist.« Er zuckte die Schultern. »Segen und Fluch zugleich, dass wir es hier mit einem Unikat zu tun haben.«
    »Aber wenn es überhaupt Abbildungen gibt, so kann es Jahre dauern, sie zu finden. Ich kann keine Wunder vollbringen.« »Das ist schade, denn genaugenommen war das der Grund, warum ich Sie eingestellt habe.« Er lehnte sich zurück. »Ihr Ruf im Aufspüren ungewöhnlicher Funde ist Ihnen vorausgeeilt. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass Ihre Anstellung an bestimmte Bedingungen geknüpft ist. Wenn Sie mir nicht liefern können, was ich von Ihnen erwarte, werden sich
    unsere Wege wieder trennen.«
    Hannah stand wie vom Donner gerührt.
    »Sie wollen mir das Projekt entziehen?«
    »So leid es mir tut.«
    »Aber ...«
    »Frau Dr. Peters, ich verstehe Ihren Unmut, aber Sie müssen sich in meine Lage versetzen. Sie haben gute wissenschaftliche Basisarbeit geleistet, gewiss. Aber das hätte auch jemand anderer vollbringen können. Jemand aus meinem Stab. Das wäre bei weitem billiger gewesen. Ihre Anstellung hat mich einen Haufen Geld gekostet, und dafür möchte ich Resultate sehen.«
    Hannah ballte die Fäuste. Sie konnte vor Wut kaum atmen. Sie hatte so viel herausgefunden, und jetzt wollte Feldmann jemand anderen engagieren, der sich ins gemachte Nest setzte? Jemanden, der von ihrer Forschungsarbeit profitierte und womöglich den ganzen Ruhm für sich erntete? Ausgeschlossen.
    Obwohl sie innerlich kochte, zwang sie sich zur Ruhe. Mit Feldmann einen Streit vom Zaun zu brechen brachte nichts. Er saß am längeren Hebel. Ihr Vertrag lief am ersten Juni aus. Ihr blieben also noch knappe sechs Wochen, um ein kleines Wunder zu vollbringen. Verdammt wenig

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