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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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danach an Museen rund um die Welt gingen. Hannah mochte diesen Raum am liebsten. In Regalen entlang der Wände reihten sich Abdampfschalen, Erlenmeyerkolben und Titrationsgeräte jedweder Größe und Form. Daneben standen Flaschen mit Salz- und Salpetersäure. Die Mitte des Raumes wurde von sechs großen Arbeitstischen dominiert, die randvoll mit Werkstücken, Abgussformen, Bunsenbrennern und einer unüberschaubaren Anzahl von Werkzeugen bedeckt waren. Überall wurde gearbeitet. An einem Tisch wurden mittels chemischer Analyse Farbreste an einer Keramik analysiert, während am Nachbartisch eine bronzene Sichel mit Werkzeugen repariert wurde, wie sie vor dreitausend Jahren benutzt wurden. Verhaltenes Gemurmel lag in der Luft, Ausdruck der angespannten und konzentrierten Atmosphäre, die hier herrschte.
    »Entschuldigung«, sagte Hannah. »Ist Bartels hier?« Neugierig hoben einige der Mitarbeiter ihre Köpfe. »Ist in seinem Büro«, sagte eine der Frauen und deutete über den Gang. Hannah bedankte sich und verließ das Labor. Dr. Stefan Bartels, Chefrestaurator und Leiter der Werkstätten, war diplomierter Chemiker. Ein kleiner gedrungener Mann mittleren Alters mit einer roten großporigen Nase, die von seiner Vorliebe für Hochprozentiges zeugte. Er war ein überzeugter Junggeselle mit einigen ziemlich merkwürdigen Marotten. Trotzdem war er ein netter Kerl, ganz abgesehen davon, dass er eine Koryphäe auf seinem Gebiet war. Ein Mann mit goldenen Händen. Sein Büro lag gleich um die Ecke. Hannah klopfte an und trat ein. Sie hörte, wie ein Wasserhahn abgestellt wurde. Dann öffnete sich die Tür. Ein Schopf grauer Haare tauchte auf.
    »Hannah!« Ein Lächeln breitete sich unter der roten Nase aus. »Wie schön, dich zu sehen. Seit wann bist du zurück?« Er schnappte sich ein Handtuch und begann umständlich, seine Hände zu trocknen. »Heute Morgen angekommen.«
    Er sah sie über den Rand seiner Brille hinweg an. »Und? Hast du die Totenruhe der Ägypter mit deinen Fragen gestört?« »Mir ist leider kein einbalsamierter Pharao begegnet, wenn du das meinst.«
    Bartels wartete einen Moment, dann fragte er: »Nun lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen. Sag schon: Wie ist es gelaufen?«
    Sie suchte nach den richtigen Worten, fand sie aber nicht. Bartels nickte. »So schlecht also.«
    Hannah entgegnete mit einem Schulterzucken: »Nein, es ist halb so wild. Der Flug steckt mir noch in den Knochen.« Der Chemiker blickte sie tadelnd an. »Mein Schatz, du redest, als wärst du um die halbe Welt gejettet. Kairo ist gerade mal drei Flugstunden von hier entfernt, mit einem Zeitunterschied von einer Stunde. Ein Jetlag kann es also nicht sein. Was ist passiert?«
    Hannah überlegte kurz, ob sie Bartels ihr Herz ausschütten sollte, entschied sich dann aber, sich zurückzuhalten. Bevor sie anderen von ihrem Problem erzählte, musste sie erst mal versuchen, festen Boden unter die Füße zu bekommen. Bartels, der sensibel genug war, um zu bemerken, dass ihr der Sinn nicht nach Plauderei stand, wechselte das Thema. »Du bist etwas blass um die Nase«, sagte er. »Scheint der Kreislauf zu sein. Vielleicht versuchst du es mal mit Sport. Dreimal in der Woche zehn Kilometer laufen, und du bleibst ewig jung. Außerdem hilft es, Stress abzubauen und persönliche Probleme besser zu verarbeiten - habe ich mir sagen lassen.« Jetzt konnte Hannah sogar wieder lächeln. Bartels war bekennender Nichtsportler. Er rauchte, und es war kein Geheimnis, dass er gern und reichlich dem Alkohol zusprach. Seine ganze knittrige Erscheinung zeugte von einem höchst ungesunden Lebenswandel.
    »Schieß los«, sagte er. »Was kann ich für dich tun?«
    »Ich müsste mal kurz eine Mail abrufen. Darf ich an deinen Rechner?«
    »Bitte ...« Er wies auf seinen Stuhl.
    Hannah zog ihre Jacke aus, hängte sie über die Lehne und setzte sich. Dann loggte sie sich in ihren E-Mail-Account ein. Johns Mail stand an oberster Stelle. Das Datenpaket war knappe drei Megabyte groß.
    »Was Interessantes?« Bartels' rote Wange war nur Zentimeter von ihrer entfernt. Der schwache Geruch von Alkohol wehte ihr um die Nase. »Kann ich noch nicht sagen. Irgendetwas mit der Himmelsscheibe.«
    »Aha. Na ja, ich werde mal wieder rübergehen und mich um meine Studenten kümmern. Es behagt mir nicht, sie so lange allein zu lassen. Außerdem ist da gerade eine verdammt hübsche Gastdozentin von der Uni Tübingen. Ich glaube, da werde ich mal mein Glück versuchen. Lass den

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