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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Zeit. Sollte es ihr nicht gelingen, irgendetwas auszugraben, das ihre Weiterbeschäftigung in seinen Augen rechtfertigte, so würde sie alles verlieren: Die versprochene Prämie und ihr Forschungsauftrag wären dahin. Sie würde die Himmelsscheibe höchstens noch wie ein ganz gewöhnlicher Museumsbesucher hinter Panzerglas zu sehen bekommen.
    Hannah sah Feldmann direkt in die Augen. Wie immer hatte er sein Pokerface aufgelegt. Hannah drehte sich um und schickte sich an, das Büro zu verlassen. An der geöffneten Tür hielt sie noch einmal kurz inne. »Haben Sie schon mal etwas von der Theorie gehört, dass es vielleicht mehr als nur eine Scheibe gegeben haben könnte?«
    Feldmann hob die Augenbrauen. »Was sagen Sie da?« »Nicht so wichtig. Nur so ein Gedanke.« Sie ließ die Tür hinter sich zufallen.
     
     
8
     
    Ohne sich bei ihren anderen Kollegen zurückzumelden, lief sie die Treppen hinunter und zur Vordertür hinaus. Die Hände in ihren Taschen geballt, überquerte sie den Marktplatz, vorbei an der Universität, immer weiter. Egal wohin, Hauptsache, raus. Die frische Luft half ihr, klare Gedanken zu fassen. Der Regen war mittlerweile in feinen Niesel übergegangen, der ihr Gesicht benetzte und ihre Haare durchdrang. Das schlechte Wetter war wie ein Spiegel ihrer Seele. Konnte Feldmann seine Drohung wirklich wahr machen? Natürlich konnte er. Die Frage war nur: würde er auch? Oder wollte er sie nur antreiben? Bei jemandem wie ihm konnte man nie genau sagen, was er beabsichtigte. Er war in dieser Hinsicht so undurchschaubar wie eine Sphinx. Was sollte sie tun, wenn er sie wirklich auf die Straße setzte? Gewiss, bei ihrer Reputation würde sie schnell einen neuen Job bekommen, aber keinen wie diesen. Die Himmelsscheibe von Nebra war etwas, wovon so ziemlich jeder Archäologe auf der Welt träumte. Sie repräsentierte alles, warum ein Mensch sich jemals mit Archäologie beschäftigt hatte.
    Mit energischen Schritten eilte sie durch die Stadt, immer Richtung Norden. Sie tat dies nicht bewusst, es passierte von ganz allein. Irgendetwas zog sie magisch an. Als sie von der Magdeburger- in die Ludwig-Wucherer-Straße einbog, legte der Regen noch einmal an Heftigkeit zu.
    Nach etwa zwei Kilometern tauchte vor ihr das Gebäude des Landesmuseums auf. Mit seinem quadratischen Grundriss, der an den südlichen Ecken von Rundtürmen flankiert wurde, wirkte es wie eine trutzige Burg. Wieder standen etliche Busse vor dem Haupteingang, Zeichen dafür, dass sich geschichtsinteressierte Reisegruppen und Schulklassen ins warme Innere des Museums geflüchtet hatten. Die Menschen kamen, um den Fund zu besichtigen, nachdem er von seiner langen Reise nach Spanien, Österreich und der Schweiz endlich nach Hause zurückgekehrt war. Der Fund, der Deutschland urplötzlich ins Blickfeld der Archäologie gerückt hatte. Man durfte sich keinen Illusionen hingeben: Die Himmelsscheibe von Nebra war und blieb der Angelpunkt der Ausstellung. Ohne sie war dies nur ein ganz gewöhnliches Museum.
    Patschnass stieg sie die breite Prachttreppe zum Haupteingang empor. Der Pförtner winkte ihr zu.
    »Was für ein Wetter«, sagte er mit einem Blick in den bleigrauen Himmel. »Da möchte man nicht mal seinen Hund vor die Tür scheuchen.« Er blickte auf Hannah, die wie ein begossener Pudel vor ihm stand. »Na, Mädel, du machst ja ein Gesicht, gegen das sich das Wetter wie ein Sommertag ausnimmt.« »Nimm's mir nicht übel, Herbert, aber ich bin gerade nicht zum Plaudern aufgelegt. Ein andermal, in Ordnung?« »Ärger mit dem Chef, hm? Ich verstehe. Na denn immer 'rin in die gute Stube.« Er öffnete die Tür. Hannah ließ ein dankbares Lächeln über ihr Gesicht huschen, dann drückte sie sich an der Loge vorbei in den Ausstellungsbereich. Hier war es wenigstens warm. Das Museum war vor kurzem umgebaut worden, eine Maßnahme, die erst durch den überwältigenden Erfolg der Himmelsscheibe möglich geworden war. Dreihunderttausend Besucher, das war eine Zahl, die im Landtag für Aufsehen gesorgt hatte. In Dreierreihen hatten die Zuschauer um den Museumsklotz herum angestanden, um einen Blick auf das rätselhafte Objekt zu werfen. Der Landesregierung von Sachsen-Anhalt, der schlagartig klargeworden war, dass Archäologie nicht zwangsläufig ein Zuschussgeschäft sein musste, hatte etliche Millionen lockergemacht, um dem ältesten frühgeschichtlichen Museum Deutschlands eine Verjüngungskur zu spendieren.
    Im Klartext hieß das, dass sämtliche Büros

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