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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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»Ich bin hier, um die Möglichkeit zu überprüfen, ob es vielleicht mehr als nur eine Scheibe gegeben hat. Ich gebe zu, es ist bisher nur eine fixe Idee. Ich habe noch nichts gefunden, was diese These in irgendeiner Form bestätigen würde. Ein Kollege machte mich darauf aufmerksam. Er ist Experte für Astroarchäologie und schien in der Anordnung der Sterne auf der Scheibe etwas gesehen zu haben, das den Brocken als Fundort in Frage kommen ließe. Ich vermute aber, dass ich nur einem Hirngespinst hinterherlaufe.«
    Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Jetzt verstehe ich. Du sollst nach weiteren Gräbern suchen.« Er sah angemessen beeindruckt aus. »Clevere Idee.« »Warum?«
    »Nach allem, was ich in den Medien darüber erfahren habe, wurde die Scheibe so gut durchdacht und ausgeführt, dass es einen wundert, warum nicht mehr davon im Umlauf waren. War nicht diese Einzigartigkeit der Grund, warum der Fund so lange als Fälschung angesehen wurde?« »Und immer noch wird«, sagte Hannah mit einem Nicken. »Du scheinst dich wirklich gut auszukennen.« »Willst du mich auf die Probe stellen?« Michael öffnete seine Feldflasche, trank einen Schluck und reichte sie weiter. Hannah nahm einen Schluck. »Warum nicht? Ich kenne mich zwar auch ganz gut aus, aber vielleicht gibt es ja das eine oder andere Detail, das ich übersehen habe. Außerdem halten solche Gespräche den Kopf wach, und ich brauche etwas, was mich von der Kraxelei ablenkt.« »Was willst du wissen?«
    Sie zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Vielleicht etwas über die Ursprünge der Besiedelung?«
    Michael nickte. »Von einer intensiven Besiedelung kann man eigentlich erst so ab dem Jahr Tausend nach Christus reden. In dieser Zeit wurden hier etliche Gold- und Silberfunde gemacht, die dazu führten, dass kurz darauf ein reger Bergbaubetrieb einsetzte. Überall wurden Stollen in die umliegenden Hügel getrieben, wie zum Beispiel in den Rammeisberg bei Goslar. In den Brocken selbst natürlich nicht, der ja, wie du sicher weißt, aus purem Granit besteht. Goslar selbst verfügt aber über eine tausendjährige Bergbautradition. Das Abstützen der Gruben und Schächte erforderte natürlich eine enorme Menge Holz, weswegen es in der gesamten Gegend zu umfangreichen Abholzungen kam.«
    »Und was ist mit den Hexen? Die sollen doch hier angeblich ihr Hauptquartier gehabt haben.«
    Michael griff erneut in seine Tasche. Doch statt seiner Trinkflasche holte er eine kleine aus Hirschhorn geschnitzte Flasche heraus und nahm einen Schluck. Ohne ihr etwas davon anzubieten, steckte er sie wieder ein. »Möchtest du welche sehen?«
    »Was ... Hexen?« Er nickte.
    »Du willst mich auf den Arm nehmen.« »Ich glaube, sie werden es uns nicht übelnehmen, wenn wir ihnen einen kleinen Besuch abstatten. Sie wohnen ganz in der Nähe, in einer Höhle.« Er bedachte sie mit einem schiefen Blick. »Oder hast du etwa Angst?«
    Rasselnde Atemlaute ausstoßend, erlaubte sich das Wesen eine kurze Pause. Die Eindringlinge waren nicht mehr weit. Schon bald würde es sie eingeholt haben. Doch so langsam, wie diese beiden den Berg emporkrochen, konnte es sich alle Zeit der Welt lassen, ehe es zuschlug. Die Ohren spitzend, vergewisserte es sich über die Richtung, aus der der Geruch kam. Ein Rascheln ließ es auffahren. Zwischen den Wurzeln zweier Fichten war eine Bewegung zu erkennen. Zwei längliche Ohren schoben sich vorsichtig aus einer gut versteckten Höhle, gefolgt von einem runden Kopf, zwei schwarzen Knopfaugen und einer schnuppernden Nase. Das Wesen prüfte den Wind. Er stand günstig. Das Kaninchen konnte keine Witterung aufnehmen. Dass es gesehen wurde, schied auch aus, dafür waren die Augen des Nagers zu schlecht. Das Wesen überlegte kurz. Die beiden Wanderer waren langsam und würden sicher eine Weile bis zur Höhle brauchen. Sie würden ihm nicht entkommen. Der Hunger nagte an seinen Eingeweiden. Zeit für eine Zwischenmahlzeit.
    Das Kaninchen hatte seinen Bau jetzt so weit verlassen, dass sein gesamter Körper zu sehen war. Die Sicht des Wesens begann sich zu verändern. Das Grün der Bäume wich einem Braunton, dann wurde es schwarz. Dort, wo Sonnenstrahlen den Boden berührten, leuchteten die Farben in einem hellen Gelb. Das Kaninchen selbst leuchtete rot, mit einem kräftigen Orange, dort wo das Herz schlug. Seine Sicht aufs äußerste schärfend, konnte das Wesen jetzt sogar sehen, wie das Blut in den Adern seiner Beute strömte. Es war ein junges

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