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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Rücken zur Wand stehen.« Er lehnte sich nach vorne. »Ihre Bemerkung, dass die Anordnung der Sterne mehr als nur ein zufälliges Muster bildet, war genial. Sie hat zu einem wahren Ideensturm in meinem Team geführt. Und ehe Sie mich danach fragen - ja, ich war in Ägypten. Ich war dabei, als Sie die Hieroglyphen der Hatschepsut untersuchten. Sie können sich nicht vorstellen, wie viel Überwindung es mich gekostet hat, im Hintergrund zu bleiben. Aber ich war mir nicht sicher, ob Sie wirklich bereit wären, den Gedanken auch konsequent weiterzu-verfolgen. Darum habe ich angefangen, Angelhaken auszuwerfen.«
    »Der Brief«, platzte Hannah heraus.
    Stromberg lächelte. »Darf ich Ihnen noch etwas Champagner nachfüllen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, goss er Hannahs Glas voll. Dann schenkte er sich selbst auch noch einmal ein. »Wie kommen Sie auf die Idee, dass es noch mehr Scheiben geben könnte? Dieser Gedanke ist nach dem jetzigen Stand der Forschung völlig abwegig. Haben Sie etwa Informationen ...?« Stromberg legte seinen Finger an die Lippen. »Das ist etwas, über das ich gerne zu einem späteren Zeitpunkt mit Ihnen reden möchte. Zunächst möchte ich mich dem zweiten Genie in dieser Runde zuwenden.« Er deutete auf John. »Seine Idee war es, dass es sich bei der Scheibe um eine Art Karte handeln könne. Mir wäre so etwas nicht im Traum eingefallen. Aber die Theorie hat etwas Bestechendes, finden Sie nicht?« Hannah neigte den Kopf. Sollte sie ihnen erzählen, dass sie die Theorie überprüft und tatsächlich eine Spur gefunden hatte? Nein. Die beiden mochten einiges wissen, aber es war beruhigend, zu erfahren, dass sie nicht alles wussten. Sie entschied sich dafür, die Ahnungslose zu spielen. »Die Theorie ist nicht bestechend, sie ist verrückt«, sagte sie. »Sie sollten das möglichst schnell wieder vergessen. Kein ernsthafter Archäologe würde bei so etwas anbeißen.« »Sind Sie ein ernsthafter Archäologe?« Stromberg warf ihr einen schwer zu deutenden Blick zu.
    »Nun, ich ...«
    Stromberg, dem Hannahs Zögern nicht entgangen war, winkte ab. »Lassen Sie nur. Wir drei sind uns in unseren Ansichten vermutlich ähnlicher, als man vermuten könnte. Geschwister im Geiste, wenn man so will. Alle ein bisschen verrückt und besessen von alten Mysterien.«
    »Unsere Motivation könnte gegensätzlicher nicht sein«, sagte Hannah und lächelte kühl. »Im Gegensatz zu Ihnen möchte ich die Welt an unseren Erkenntnissen teilhaben lassen. Sie hingegen ziehen es vor, alles in einem Geldspeicher zu vergraben und Ihren Schatz zu hüten wie die Henne das Ei.« »Hannah!« John blickte sie erschrocken an. »Nein, nein, lassen Sie nur.« Stromberg legte John die Hand auf den Arm. »Sie hat ja recht. Ich habe tatsächlich etwas von einer Henne, oder sagen wir besser von einer Glucke, die eifersüchtig über ihre Küken wacht. Nur unterstellen Sie mir bitte keine niederen Instinkte. Damit täten Sie mir wirklich Unrecht. Lassen Sie mich eines klarstellen: Mein Hang zur Inbesitznahme hat nichts mit Materialismus oder Sammelwut zu tun. Einzig und allein die Sorge um unsere Kulturschätze treibt mich an.« Hannah gab ein abfälliges Schnauben von sich.
    »Unsinn, meinen Sie? Wissen Sie eigentlich, wie viele Kunstobjekte jedes Jahr durch unsachgemäße Ausgrabungsmethoden zerstört werden? Wie viele Artefakte von Grabräubern in Nacht- und Nebelaktionen ausgegraben und auf dem Schwarzmarkt verschachert werden? Ganz zu schweigen von der Menge an Objekten, die auf den Tauschbörsen und Bazaren dieser Welt aufs schwerste beschädigt werden. Die Geschichte der Himmelsscheibe ist ein Paradebeispiel dafür. Ohne das Eingreifen eines einzigen mutigen Mannes wäre sie für immer in irgendeiner Vitrine verschwunden. Wir hätten nie von ihr erfahren. Mein Ziel ist es, diese Schätze zu sichern und zu bewahren, auf dass zukünftige Generationen auch an diesem Erbe teilhaben können. Natürlich abgesehen davon, dass ich an den Tantiemen und Nutzungsrechten ein wenig nebenher verdiene.« Er faltete die Hände über dem Bauch und setzte ein unschuldiges Lächeln auf.
    Hannah erwiderte seinen Blick. »Die Frage, ob Sie nun ein Haifisch oder ein Heiliger sind, werden wir heute Abend wohl nicht mehr klären, oder?«
    »Vermutlich nicht«, entgegnete Stromberg. »Daher würde ich vorschlagen, wir kehren zu meinem Angelhaken zurück. Ungeachtet dessen, was Sie von meiner Person und Johns Theorie halten mögen, eines haben wir jedenfalls

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