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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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erreicht: Sie haben endlich wieder angefangen, das zu tun, was Sie am besten können.«
    Hannah hielt den Kopf schief. »Und das wäre?« »Ich bitte Sie, Hannah - wir alle wissen, dass Sie nicht für die Arbeit im Labor geschaffen sind. Ihre Welt ist die Feldforschung. Sie gehören nach draußen, unter freien Himmel oder in enge Höhlen, Hauptsache, weg von staubigen Archiven und sterilen Depots. Seit Sie das tun, bewegen Sie auch wieder etwas.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Das haben mir die vielen kleinen Stimmen gesagt, die mir rund um die Uhr ins Ohr flüstern.« Wieder erschien dieses breite Lächeln auf seinem Gesicht, das Hannah unangenehm an die Cheshire-Katze aus Alice im Wunderland erinnerte. »Informationen sind mein tägliches Brot« sagte er. »Ohne sie wäre ich ein kleiner, glatzköpfiger alter Mann ohne den geringsten Einfluss. Dass dem nicht so ist, verdanke ich meinen vielen Helfern und Informanten.« Er klopfte John auf die Schulter, der das Kompliment mit einem leichten Anflug von Röte auf seinen Wangen zur Kenntnis nahm. »Tatsache ist, dass Sie einen Punkt in Ihrer Forschung erreicht haben, an dem Sie allein nicht weiterkommen. Sie benötigen Hilfe.«
    »Und an was für eine Art von Hilfe dachten Sie?« Stromberg griff seitlich hinter seinen Sessel und zog einen Hartschalenkoffer hervor, dessen Oberfläche matt schimmerte. Er schien aus einer besonderen Art von gehärtetem Stahl zu bestehen. Drei Sicherheitsschlösser umspannten einen Riegel, der sich nur durch Eingabe einer besonderen Kombination in Verbindung mit einem Schlüssel öffnen ließ. Hannahs Interesse war geweckt. Sie kannte diese Art von Koffern. Hochsicherheitskoffer, die nur zum Transport wertvoller Dokumente oder Schmuckstücke verwendet wurden. Was immer ihr Gastgeber darin aufbewahrte, es musste einen beträchtlichen Wert besitzen. Stromberg gab den Zahlencode ein, steckte den Schlüssel in das Schloss und ließ den Riegel aufschnappen. Dann hob er den Deckel und drehte den Koffer, so dass Hannah sehen konnte, was sich darin befand.
    Es verschlug ihr die Sprache. Das konnte doch unmöglich wahr sein.
    Vor ihr lag die Himmelsscheibe. Grünlich schimmernd und perfekt bis ins letzte Detail. Das Licht des Kaminfeuers schimmerte weich auf dem Metall. Kaum zwei Tage waren vergangen, als sie sie das letzte Mal berührt hatte, im Safe, tief im Sicherheitstrakt des Museums. Und jetzt sollte sie hier sein, mehr als tausend Kilometer davon entfernt, an Schottlands rauher Nordküste? Unmöglich. »Es ist ein Duplikat«, flüsterte sie. Strombergs Grinsen wurde noch ein wenig breiter. »Das einzige Duplikat, das jemals für einen Privatsammler angefertigt wurde. Das waren Sie?« »Überrascht Sie das?«
    Hannah löste ihren Blick von der Scheibe. »Jetzt, wo Sie fragen - nein. Mittlerweile kenne ich Sie gut genug, um zu wissen, dass nur Sie so verrückt sein können, für ein Duplikat einhunderttausend Euro auszugeben.«
    »Das Original war leider nicht mehr verfügbar«, sagte er mit einem Achselzucken. »Hätte es zum Verkauf gestanden, ich hätte es genommen, zu jedem Preis der Welt.« Hannah hatte das Versteckspiel satt. Sie war müde und hungrig, und sie hatte das Gefühl, immer noch nichts Konkretes erfahren zu haben. »Sagen Sie mir jetzt endlich, was Sie für ein Interesse an der Scheibe haben? Und was das Ganze mit der Fotografie zu tun hat, die John mir geschickt hat? Meine Geduld geht langsam dem Ende zu.«
    »Wissen Sie es denn immer noch nicht?« Stromberg schob sein Gesicht so nah an ihres, dass sie seinen Atem auf der Wange spüren konnte. Als er sprach, war seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
    »Die Scheibe in Ihrem Museum ist viel mehr als nur ein Kalender oder eine Karte. Es ist etwas unendlich viel Geheimnisvolleres: Sie ist ein Tor zu einer anderen Dimension.«
     
     
     
     
     
28
     
    Der Abend kam und mit ihm die Lichter. Rings um den Brocken flammten Kaskaden leuchtender Punkte auf. Straßenlaternen, Neonröhren, Hinweistafeln und Werbeschilder, dazwischen unruhig hin- und herhuschende Autoscheinwerfer. Sie alle ließen den Berg wie einen finsteren Ozeandampfer erscheinen, der durch einen Teppich leuchtendes Plankton pflügte. Auf den Straßen und in den Dörfern und Städten pulsierte das Leben. Die Menschen waren auf dem Weg in ihren Feierabend. Sie kehrten in ihre Wohnungen zurück oder nutzten die verbleibende Zeit für einige schnelle Einkäufe. Alle waren in Bewegung, und niemand achtete auf

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