Necromancer - The Death of the Necromancer
Es war ein unfassbarer Anblick.
Und dann brach es in einer Wolke aus Ruß und Asche aus dem Rauchfang: eine riesenhafte Hand, skelettartig, gelb vor Verwesung, zu groß, um durch den Kamin zu passen, größer als der Herd davor.
Nicholas glaubte etwas gerufen zu haben, aber er war sich nicht sicher. Er hörte Madeline ächzen. Madele hatte sich nicht von der Stelle gerührt. In bequemer Reichweite des Wesens stand sie da wie eine Statue und starrte es an.
Die Erscheinung schwebte in der Luft, und Nicholas erkannte, dass sie tatsächlich wie eine menschliche Hand geformt war: mit fünf Fingern und allen Gliedern. Die Zeit schien sich zu dehnen. Er wollte Madele an der Schulter
packen, um sie zurückzureißen, aber er konnte sich nicht bewegen.
Dann zog sich die Hand zurück in das Rauchfangloch, das viel zu klein für sie war. Wieder wanderte die Ausbeulung über die Kaminsteine, nur diesmal in die entgegengesetzte Richtung, bis sie jenseits des Dachs verschwunden war.
Nicholas merkte, dass ihm die Knie zitterten, dass er nur noch auf den Beinen war, weil er sich an den Tisch klammerte. Er hätte geglaubt, dass er sich das alles nur eingebildet hatte, wenn er nicht mit eigenen Augen die Töpfe gesehen hätte, die die Hand beim Herausfahren auf den Boden geschleudert hatte.
Madele ließ den Kopf nach unten sacken und vergrub das Gesicht in den Händen. Madeline schob sich an ihm vorbei, um sie an den Schultern zu fassen, doch die Alte schüttelte sie ab. Als Madele den Kopf wieder hob, lag ein verschmitztes Funkeln in ihren Augen. »Schau mal raus und sag mir, was du siehst.«
Eilig trat Nicholas zur Tür und riss sie auf. Zuerst konnte er überhaupt nichts erkennen. Das Haus ächzte unter dem Ansturm des Windes, der noch zugenommen hatte, und die Äste der Eiche wurden wild durchgeschüttelt. Dann fiel ihm auf, dass der Lärm aus dem Baum viel zu laut war. Ein Wind, der diese gewaltigen Äste hin und her rütteln konnte, hätte das Haus umgeworfen. Das Steinpflaster unter ihm erbebte von einem krachenden Donnerschlag, und im gleißend hellen Licht des Blitzes entdeckte er den Sendfluch.
Weiß und riesenhaft hing er oben in der Eiche und versuchte sich zu befreien. Die Hand, die durch den Kamin hinabgegriffen hatte, streckte sich hinauf über die peitschenden
Äste, die Finger klauenartig gekrümmt vor Schmerz. Im flackernden Schein des Blitzes beobachtete Nicholas, wie ein Ast nach oben schoss, sich um den fuchtelnden Skelettarm schlang und ihn wieder nach unten in den Baum riss.
Dann erlosch das Licht, und der Hof versank erneut in Dunkelheit. Nur noch das Tosen des Windes war zu hören. Nicholas schlug die Tür zu und lehnte sich dagegen.
Madele war dabei, die verstreuten Töpfe aufzusammeln, und gab missbilligende Schnalzlaute von sich.
»Und?«, fragte Madeline.
»Sieht so aus, als würde ihn der Baum verschlingen.« Nicholas war froh, dass seine Stimme nicht zitterte.
»Ihr könnt von Glück sagen, dass ihr hierhergekommen seid.« Madeline richtete sich auf und rieb sich das Kreuz. »Dieser Baum ist ein Großer Zauber. Den habe ich schon vor vielen Jahren gemacht, als ich noch jung war und hier eingezogen bin. Der Sendfluch hat es nicht mit mir zu tun bekommen, so wie ich jetzt bin, alt, verwelkt und vertrocknet, sondern so wie ich damals war, auf der Höhe meiner Kraft.« Sie hob den Kopf, um auf den brausenden Wind zu lauschen. Vielleicht hörte sie auch etwas anderes. »Wer diesen Sendfluch auch geschickt hat, er ist viel mächtiger, als ich es jemals war.«
Erst nach einer vollen Stunde ließ der Wind ein wenig nach, und Madele hielt es für sicher hinauszugehen. Von dem Sendfluch war keine Spur mehr zu sehen, bis auf die abgebrochenen Zweige und die Rindenstücke, die unter den schweren Ästen der Hütereiche verstreut lagen.
11
I st das nicht genau das richtige Wetter für den ersten Tag, an dem wir nicht mehr von einem tödlichen Sendfluch verfolgt werden?«, bemerkte Madeline, als sie aus dem dunklen Stall hinaus ins Morgenlicht traten. Schon vor der Dämmerung waren sie aufgebrochen, um die Stadt möglichst früh zu erreichen, und hatten soeben den gemieteten Einspänner zurückgegeben. Madeline trug wieder Männerkleidung, da ihre Großmutter nichts Passendes für die Stadt besaß, was sie sich hätte borgen können. Sie waren beide staubig von der Fahrt, müde und nicht unbedingt in Bestform.
Vor dem Abschied hatte Nicholas Madele von Arisilde erzählt und sie um ihre Hilfe gebeten.
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