Necromancer - The Death of the Necromancer
respektable Besucher mit einem ehrlichen Anliegen kamen nicht ausgerechnet hierher. In Erwartung einer Anweisung blickte ihn Sarasate fragend an. Im Bogengang zum anderen Flügel tauchte nun auch Crack auf, und Nicholas lehnte sich mit verschränkten Armen an den Treppenpfosten. »Sehen Sie bitte nach, wer es ist.«
Der Butler zog die schwere Haustür auf, und ein Mann trat ins Foyer, ohne lange auf eine Einladung zu warten. Er war hager und ausgemergelt und trug über dem Abendanzug einen Umhang und einen Chapeau claque. Die Gasleuchte über der Tür verlieh seinen langen Gesichtszügen und den leicht hervorquellenden Augen einen unheilvollen Anstrich, aber Nicholas wusste, dass das nur an der Lampe lag. Der Unbekannte ignorierte Sarasate und ließ den Blick durch die Vorhalle schweifen, als befände er sich in einem Vergnügungsetablissement.
Ein wenig unwirsch erklärte Nicholas: »Es ist schon spät für Zufallsbesucher, vor allem, wenn ich sie nicht kenne. Würde es Ihnen was ausmachen, sich wieder ins Freie zu begeben? Sie wissen ja sicher noch, wo die Tür ist.«
Jetzt richtete der Mann den Blick auf ihn und trat noch ein paar Schritte vor. »Sind Sie der Besitzer des Hauses?«
Man sollte es annehmen, wenn ich hier in Hemdsärmeln stehe. Im ersten Augenblick war er geneigt, dem Fremden nur harmlose Sensationsgier zu unterstellen. Der Tod seines Pflegevaters lag zwar bereits mehrere Jahre zurück, aber die traurige Berühmtheit, die er durch seinen Prozess erlangt hatte, lockte noch immer Leute mit morbiden Vorlieben an. Manchmal klopfte jemand an, der echtes Interesse an Edouards Arbeiten hatte, doch diese Leute waren normalerweise höflicher und stellten sich untertags vor, häufig auch mit Empfehlungsschreiben ausländischer Universitäten. Das Aussehen dieses Besuchers ließ eher auf die erste Kategorie schließen: Seine Krawatte hatte eine schmutzig graue Farbe, und die blasse Haut darüber wirkte ungewaschen; sein dunkler Bart war ungepflegt, während der großspurige Umhang auch einem Marquis bei einem Festakt in
der Royal Opera zum Geburtstag der Königin gut zu Gesicht gestanden hätte. »Ja, ich bin der Besitzer«, räumte Nicholas müde ein. »Warum? War Ihnen das Haus bei Ihrem Spaziergang durch das Viertel im Weg?«
»Wenn Sie Nicholas Valiarde sind, habe ich mit Ihnen zu reden.«
»Ach, und das kann nicht bis morgen warten?« Nicholas drehte wie zufällig an dem Kristallornament auf dem Treppenpfosten - ein Signal für Sarasate, die Diener zu holen, die Erfahrung im Umgang mit ungebetenen Gästen hatten. Der Butler schloss die Tür, sperrte ab und schlüpfte mit dem Schlüssel in der Tasche davon. Auch Crack kannte das Signal und näherte sich geräuschlos.
»Es handelt sich um eine dringende Angelegenheit, die uns beide betrifft.«
Plötzlich zuckte der Blick des Mannes nach oben zum Treppenende, wo Madeline aufgetaucht war. Sie trug einen Morgenmantel mit goldenem Brokatmuster und hatte das lange dunkle Haar gelöst. Langsam und beherrscht schritt sie die Treppe herab, mit der übertriebenen Eleganz einer dunklen Nymphe in einem romantischen Gemälde. Nicholas lächelte in sich hinein. Als geborene Schauspielerin war Made line immer dankbar für ein Publikum.
Der Mann wandte seine Aufmerksamkeit wieder Nicholas zu. »Ich würde gern unter vier Augen mit Ihnen sprechen.«
»Mit Fremden spreche ich nie unter vier Augen«, entgegnete Nicholas. Beiläufig winkte er den Butler heran, der wieder erschienen war. »Sarasate, führen Sie unseren Gast in den vorderen Salon. Sie brauchen kein Feuer machen, er bleibt nicht lang.«
Als Sarasate dem ungebetenen Besucher den Weg wies, legte Madeline Nicholas die Hand auf den Arm. Leise flüsternd beugte sie sich vor. »Das ist der Mann, der heute Abend mit der Duchess gesprochen hat.«
»Das dachte ich mir schon.« Nicholas nickte. »Vielleicht hat er dich erkannt. Hat er bemerkt, dass du sie belauscht hast?«
»Ausgeschlossen. Sonst hätten es die anderen auch mitbekommen müssen.« Sie zögerte. »Zumindest bin ich mir einigermaßen sicher.«
Er bot ihr den Arm, und gemeinsam folgten sie ihrem Gast in den vorderen Salon, ein kleines Empfangszimmer nahe dem Eingang.
Die Wände waren von Buchreihen gesäumt, da in dem Raum jene Bände aus der Bibliothek untergebracht waren, die Nicholas nicht so oft benötigte. Der ehedem schöne Teppich waren inzwischen alt und an den Rändern ausgefranst. Es gab einige Polsterstühle, und ein Sessel stand
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