Necromancer - The Death of the Necromancer
noch auf ihn wartete. Aber er wusste, dass er damit nur seinen Atem vergeuden würde, weil sie sowieso tun würde, was sie für richtig hielt. Ein wenig gereizt sagte er: »Also, bringen wir es hinter uns.«
Madeline nickte. Als Nicholas sich aufrichten wollte, packte sie ihn plötzlich an den Haaren und küsste ihn. Die Umarmung brachte Nicholas aus dem Gleichgewicht, und er landete hart auf dem Hintern. Schließlich ließ ihn Madeline los, kroch zum Rand des Dachs und ließ sich mit anmutiger Leichtigkeit hinuntergleiten. »Beweg dich erst, wenn das Ablenkungsmanöver anfängt«, flüsterte ihr Nicholas nach. »Und sei nicht immer so verdammt sentimental.«
Made line duckte sich hinter eine Gruft in der Nähe der Estrade, wo sie nicht gesehen werden konnte. Sie lehnte sich an den schmutzverkrusteten Stein und zog die Kugel aus der Schlinge. Sanft bebte sie auf ihrem Schoß. Also los. Mit geschlossenen Augen begann sie den Trugzauber. Sie fühlte nichts. Die Beschwörungsformel rief keinen Ansturm der Macht hervor, kein Gefühl sich sammelnder Kräfte. Es ist schon zu lange her. Als sie den Zauber beendete, war nichts in ihrem Kopf außer ihre Gedanken. Für mich jedenfalls. Madele hatte natürlich recht gehabt mit ihren Ermahnungen. Made line hatte ihre Fähigkeiten brachliegen lassen, und jetzt hatte sie selbst ihre geringe Macht verloren. Sie öffnete die Augen, um aufzustehen.
Plötzlich erstarrte sie. Um sie herum bewegte sich der Staub auf dem Boden, nach außen getrieben wie von einer unmerklichen Brise. Mein Gott. Trugzauber lösten keine physischen Bewegungen aus. Sie konzentrierte sich, um zu begreifen, was die Kugel getan hatte. Kurz darauf hatte sie es. Sie war nicht nur von einem Trugzauber umgeben, sondern von Obscura major und minor und verschiedenen Gaukelsprüchen. Es war ein komplexes Gewebe. Verdammt, warum haben wir bloß nicht schon früher rausgefunden, wie das geht. Das hätte uns bestimmt gute Dienste geleistet. Madele wäre begeistert gewesen …
Mitten in diesem Gespinst der Macht, das sie durch das Wirken der Kugel steuern konnte, verstand sie plötzlich, dass Madele für die Magie genauso viel empfunden haben musste wie sie für die Schauspielerei. Madeline hatte die Macht immer nur als Mittel zu einem Zweck gesehen, an dem sie kein großes Interesse hatte; sie hatte sie nie als Kunst begriffen.
Vorsichtig trat sie aus dem Schutz der Gruft, um einen günstigeren Angriffspunkt zu finden. Mit ein wenig Glück würde Macob nie erfahren, was über ihn gekommen war.
Nicholas fand eine geeignete Stelle, um hinauf zur Galerie zu klettern. Von dort aus gelangte er zum Eingang der Katakombe. Nach kurzem Suchen in den Schichten von Unrat zerrte er zwei halb unter verrostetem Metall und verrottetem Holz begrabene Räder heraus, die er vorhin entdeckt hatte. Er hatte Glück, sie waren noch einigermaßen intakt. Das Gewicht eines Wagens hätten sie zwar bestimmt nicht mehr getragen, doch für seine Zwecke reichten sie völlig.
Er füllte die Flasche, die das parsische Duftöl enthalten hatte, mit dem Petroleum, das von den Wänden tropfte. Dann band er mit einer rostigen Kette rasch die beiden Räder zusammen. Seine Jacke war so feucht vom Abwasser, dass er sie nicht verwenden konnte. Also wand er seine Weste zusammen mit einigen Holzfasern und Stofffetzen aus einem offenen Grabmal durch die Speichen der Räder. Nachdem er auch noch in Abständen Madelines Ersatzpatronen hineingesteckt hatte, tränkte er alles mit Petroleum, und das Ganze war fertig.
Nicholas schleppte das Doppelrad die Stufen hinunter und auf den Balkon. Hinter die zerbrochene Balustrade geduckt, überprüfte er noch einmal den Revolver. Neben der Munition in der Trommel hatte er nur sechs Patronen als Reserve behalten. Das Ablenkungsmanöver musste seinem Namen alle Ehre machen, und wenn es fehlschlug, blieb ihm wahrscheinlich sowieso keine Zeit mehr zum Nachladen.
Vorsichtig spähte er über die Balustrade und bemerkte, dass sich dort unten etwas tat. Wie eine brütende Schar abgrundtief
hässlicher Tauben hingen die Ghule auf dem Dach der Gruft. Unten auf der Estrade befanden sich zwei Männer: der, mit dem er vorher gekämpft hatte, und ein schmächtigerer Blonder, wahrscheinlich Octaves zweiter Diener. Der Größere stand bewegungslos wie ein willenloser Automat neben dem auf den Stein gemalten Kreis. Der blonde Diener verschwand kurz im Schatten der zentralen Gruft, dann tauchte er mit einer alten Metallurne
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