Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
die Verteidigungsanlagen des Zufluchtsfelsens, da das Gelände abschüssig war, noch um einiges ausgeklügelter. Feindliche Kräfte, die sich vom Wald her näherten, also von Süden, mussten bergauf zum Felsen vorstoßen, von Osten dagegen konnte man sich mehr oder weniger auf gleicher Höhe über die Hügel des Vorgebirges nähern. Lardis hatte dies natürlich berücksichtigt, als er die Fallgruben anlegte. Aus diesem Grund hatte er auf dem ebenen Gelände hinter den Gruben einen Graben ziehen lassen, und ebendort tobte der Kampf im Augeblick am heftigsten.
Fallgruben und Gräben waren jedoch nicht die einzigen Verteidigungsanlagen. Knapp dreißig Meter hinter dem inneren Ring war eine niedrige Trockensteinmauer errichtet worden, in der alle zwei Schritte aufwärts weisende Röhren aus gebranntem Lehm eingelassen waren, die als Abschussrampen für Lardis’ Raketen dienten – die Artilleriestellung des alten Lidesci. Die Mauer bestand in der Hauptsache aus Trockensteinen, damit sie, sollte eine Bresche hineingeschlagen werden, indem ein Krieger sie allein durch sein schieres Gewicht niederriss, schnell wieder aufgebaut werden konnte. Auf der Außenseite ragten alle zwei Schritte kräftige zugespitzte Holzpflöcke hervor, um anstürmende Ungeheuer aufzuspießen.
Darüber hinaus befand sich am Fuß des Felsens, wo dieser riesenhafte Findling sich aus der Erde erhob, halb verborgen unter der natürlichen Tarnung, die Gesträuch und aus dem Geröll wachsende Weinreben boten, eine weitere Batterie. Diesmal bestand sie aus Wurfmaschinen und gigantischen Armbrüsten, denen junge pfeilgerade entrindete Kiefern als Bolzen dienten.
Die getarnten Fallgruben hingegen waren gespickt mit schlanken Pfählen, deren Spitzen mit Widerhaken versehen waren, um jedweden Flieger, Krieger oder Vampirknecht, der hineinfallen mochte, aufzuspießen und festzuhalten. In die Wände waren Nischen eingelassen, in denen Männer mit Eimern voller Öl, gezückten Feuersteinen und bereitgehaltenen Kerzen warten konnten.
Die meisten der ebenerdig angelegten Gruben standen in Flammen, ihre mit Ginstergestrüpp getarnten Rahmen aus Weiden- und Strohgeflecht loderten lichterloh in die Nacht. In vielen der Gruben verkohlte ... Fleisch , andere dagegen waren lediglich qualmende, verrußte Löcher im Erdboden. Die Luft war heiß und erfüllt vom Gestank des Todes, der einem die Luft zum Atmen nahm und die Männer zum Würgen brachte ...
Nathan war im Rücken der Verteidiger aus dem Möbiuskontinuum aufgetaucht, vor der befestigten Mauer und hinter dem Graben und der Doppelreihe aus Fallgruben. Da die Männer auf der dem Felsen zugewandten Seite der Mauer alle in die andere Richtung blickten, trat er unbemerkt wieder in die Realität – und sah nun zum ersten Mal, was dieser Kampf Mann gegen Mann, der an ebendieser Stelle hin und her wogte, eigentlich bedeutete. Offenbar hatten Vampirknechte unter der Führung mehrerer Leutnante den Krieger, den er und Lardis am Höhleneingang erledigt hatten, begleitet; auf dem felsigen Untergrund lag eine ganze Anzahl von Leichen verstreut ... vielen fehlte der Kopf. Diejenigen, denen der Kopf noch auf den Schultern saß, waren seine Leute, im Kampf gefallene Szgany.
Ihre Wunden waren grauenhaft, das Werk von Kampfhandschuhen der Wamphyri. Zerfetzte Gesichter und durch Fleisch und Rippen hindurch geöffnete Brustkörbe, anderen war buchstäblich die Kehle herausgerissen worden! Selbst durch die über den Boden wabernden Nebelschleier hindurch konnte man sehen, dass die Erde im Schein der Brände und der Sterne schwarz glänzte. Die ganze Umgebung stank geradezu nach Blut und Gemetzel ...
Ursprünglich waren es derartige Bilder gewesen, ebenso voller Gewalt, dass man keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte, die Nathan von seinen Plänen abgebracht und hinaus in die Glutwüste der Sonnseite getrieben hatten, um den Tod zu suchen, nur um die Thyre zu finden und seine Fähigkeit, mit den Toten zu reden, zu entdecken. So hatte er neuen Mut für die Zukunft geschöpft. Doch dies hier ... war ebenjene Zukunft, und nun musste er sich zusammenreißen, seine überbordenden Gefühle beherrschen und kämpfen, um mit dieser Zukunft zurechtzukommen. Er hatte keine Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, was hier geschehen sein mochte; wenn er nur herumstand und nichts unternahm, könnte dasselbe leicht ein weiteres Mal passieren!
Doch die schrecklichen Erinnerungen waren nun einmal in Gang geraten, und grässliche Bilder
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