Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
Maskenstatt war eine Frau, nicht anders als Wratha, und ihre Gedanken liefen in ähnlich verschlungenen Bahnen. Sie war sich der Schwächen der Männer sehr wohl bewusst und wusste auch, wie sie sie zu ihrem Vorteil nutzen konnte. Diese Siggi Dam beispielsweise. Tzonov hielt sie für tot, und wahrscheinlich hatte er Recht. Aber er konnte sich dessen nicht sicher sein. Vielleicht vermochte Devetaki ihn eines Besseren zu belehren.
Sie sandte ihren Männern ihre Befehle, bestieg ihren Flugrochen und flog, immer sicheren Abstand zur Feste haltend, hinab in den Pass. Während sie lautlos dahinglitt, dachte sie:
Die Schwächen der Männer, aye – vor allem starker Männer, die sich für unverwundbar halten. Insbesondere eine Schwäche stand ihr vor Augen: die Neugier der Männer ...
Turkuuur!
Zunächst war es nur ein Flüstern in seinem Traum, doch es wurde immer lauter und eindringlicher. Turkuuur ... Turkuuur!
Abermals sah er Siggis Bild vor sich, wie Devetaki Schädellarve es in seinen Traum pflanzte (beziehungsweise aus seinem Gedächtnis hervorkramte). Siggi in den im Wind wehenden Fetzen dessen, was einst das Nachthemd gewesen war, das sie trug, als sie durch das Tor von Perchorsk ging, wunderschön wie eh und je und absolut bar jeden Wissens. Oder auch nicht. Sie musste wohl oder übel ihre Erfahrungen in dieser Welt gemacht haben, andernfalls hätte sie kaum überlebt.
Turkuuur! ... Mit einem Mal wurde ihre telepathische Stimme fester. Turkur – du bist in Gefahr!
»Was? In Gefahr?«, murmelte er im Schlaf und wälzte sich unbehaglich in seinem Schlafsack hin und her. Er lag vor der Feuerstelle eines riesigen Kamins, der noch immer Glut hatte. Tief im Unterbewusstsein war ihm klar, dass er sich hier in Sicherheit befand. Auf dem Hof der Feste hatte er Wachposten aufgestellt, und in den Türmen befanden sich Wächter, die die Augen offen hielten, nun allerdings Menschen und keine Wesen aus einer albtraumhaften Vergangenheit.
Turkur, ich bin hier im Pass. Ich habe dich ankommen sehen und mich an dich erinnert. Und auch an Alexei ... Aber ich kann nicht zu euch kommen. Ich habe Angst vor diesen Männern, den Soldaten. Ich möchte nicht, dass sie mich sehen. Ich kann nicht zu dir kommen, weil ich mich vor ihnen fürchte, und vor Alexei ebenfalls. Aber dich kenne ich. Früher waren wir einmal sehr vertraut miteinander. Und jetzt brauchst du mich, Turkur. Ich kenne mich hier aus und weiß, welche Gefahren an diesem Ort lauern ...
»Siggi?« Endlich war sie zu ihm durchgedrungen. Er schlief weiter, doch nun konzentrierte er sich auf seinen Traum und die Trugbilder, die Devetaki ihm vorgaukelte. Die Lady war sogar überrascht, wie leicht er zu beeinflussen war. Im Wachzustand mochte er der große Telepath sein, anspruchsvoll, gar bedrohlich. Er war es gewohnt, das Bewusstsein seiner Untergebenen abzutasten und ihre Gedanken zu lesen; doch sobald er auf jemanden traf, der ihm überlegen war, verfügte sein Unterbewusstsein nicht über den geringsten Schutz.
Devetaki hatte sich schon immer etwas auf ihren Mentalismus zugute gehalten.
Einst hatte sie in Turgosheim den Seher-Lord Maglore dabei erwischt, wie er sich lautlos in ihre Gedanken stahl. Devetaki hatte ihn gewarnt: Finger weg von meinem Geist, Maglore! In den seichten Gedanken anderer magst du fischen, so viel du willst. Aber hüte dich vor meinen wirbelnden Tiefen, denn dort wohnen große, gefährliche Fische! Und prompt hatte Maglore sich wieder von dannen gemacht. Denn er wusste, wie stark ihre telepathischen Kräfte waren, und akzeptierte sie als gleichwertig. Der hier dagegen, dieser Turkur, erkannte offensichtlich niemanden als gleichwertig an. Darum konnte er auch nicht glauben, dass er manipuliert wurde. Er würde sich sagen, dass seine Gedanken und erst recht sein Unterbewusstsein allein ihm gehörten. Und seine Neugier war geweckt. Ego plus Neugier, dies ergab – Schwäche!
»Siggi?«, murmelte Turkur erneut und warf sich heftiger hin und her. »Wo? Wie?«
Devetaki hatte seinem Traum die Richtung gegeben, nun hielt sie sich zurück und griff nicht weiter ein. Sie beschränkte sich lediglich darauf, Turkurs Gedankenströme in die richtigen Bahnen zu lenken – natürlich in der Hoffnung, dass er den Köder schluckte. Ich bin hier im Pass. Hier droht Gefahr, Turkur. Früher hast du mich nicht gebraucht, aber das verhält sich nun anders. Lass mich nicht hier im Dunkeln allein. Wenn du das tust, wer wird sich dann in dieser neuen Welt um dich
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