Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
Präsenz dazwischenkam, eine Präsenz, die ihn, wenn auch aus der Ferne, beobachtete. Eine Zeit lang versuchte er, ihr zu entgehen, was ungefähr so war, als versuche er einen Sumpf zu durchwaten, um seinem eigenen Schatten zu entkommen; denn ähnlich wie ein Staubkorn, das man im Auge hat, war die Präsenz stets gegenwärtig, bis er sie schließlich einfach ignorierte.
In seinen Träumen mischten sich Vergangenheit, Gegenwart und Bruchstücke einer vagen, ungewissen Zukunft.
Die Vergangenheit bestand aus Ereignissen, die bereits geschehen waren, mochten sie auch noch so enttäuschend sein; die Gegenwart war eine unmittelbare Folge davon, auch wenn diese Folge nicht unbedingt nach Turkurs Geschmack war. Die Zukunft hingegen ... konnte er immer noch nach seinem Willen gestalten, sofern er ihn nur hart genug durchsetzte.
Und da in Träumen das Bewusstsein nun einmal Rechenschaft ablegt – und nicht nur die Begierden und Wünsche, sondern auch all die unterdrückten Schuldgefühle des Wachzustands Ausdruck finden und das Gleichgewicht wiederhergestellt wird –, war vieles von dem, was er träumte, der reinste Albtraum, sodass er sich in seinem Bett in der Feste unruhig hin und her warf. Und Devetaki Schädellarve bekam alles mit, was ihm im Traum durch den Kopf ging.
Turkur Tzonov träumte von der Vergangenheit, von der Telepathin Siggi Dam, wie sie sich benommen und ausgesehen hatte, nachdem er und Alexei Yefros ihr Gehirn heruntergeladen hatten, in jener Nacht, in der sie sie durch das Tor von Perchorsk schickten. Doch da er sich auch an die anderen Male zuvor erinnerte – an ihren Körper, ihre Brüste, ihre Hinterbacken und die ach so süße Verlockung, die von ihrem Geschlecht ausging –, geriet sein Traum zum Albdrücken. Es war ein Ausdruck seiner Schuldgefühle, die er sich im Wachzustand niemals eingestanden hätte. Selbstverständlich nicht, schließlich hatte Siggi ihn verraten. Siggi, die kluge, unwahrscheinlich talentierte, unglaubliche Schönheit, deren Verstand nun auf das Niveau einer Tomate reduziert war. Abgesehen von den grundlegendsten Instinkten war sie allen Wissens beraubt. Sie wusste lediglich, dass sie existierte, und ihre telepathischen Fähigkeiten (die ja ohnehin in der Struktur ihres Gehirns und nicht in irgendetwas, was sie gelernt hatte, begründet lagen) und die Erinnerung an ihre ersten sexuellen Erfahrungen waren ihr noch geblieben. Nachdem sie mit ihr fertig waren, war sie wieder wie ein Kind gewesen, zitternd, bebend und unschuldig – im Geist zumindest ...
Mithilfe einer Maschine, eines technischen Wunders, hatten sie dies bewerkstelligt ... oder einer Monstrosität, je nachdem wie man es sehen wollte. In seinem Traum erinnerte Turkur sich daran, wie wunderschön Siggi ausgesehen hatte, als sie betäubt und ohne etwas zu spüren, allerdings bei vollem Bewusstsein, dalag und darauf wartete, dass sie den Schalter umlegten. Und er erinnerte sich daran, wie Yefros ihm gesagt hatte:
»Es ist wie bei einem Computer. Wir brauchen nicht alles zu löschen. Fangen wir am Anfang an. Was ist mit ihrer Geburt?«
Und an seine Antwort: »Die kann sie behalten. Ein Mensch muss wissen, dass er geboren wurde, sonst hat er keinen Willen zu überleben. Den zumindest lassen wir ihr. Ohne Lebenswillen wäre sie nichts als eine leere Hülle. Aber ich will, dass sie wegläuft, sich versteckt und Angst hat, noch schlimmer als jetzt. Was ihre Kindheit angeht: Die braucht sie nicht mehr! Aber ihre ersten sexuellen Erfahrungen, die soll sie behalten. Darin war Siggi nämlich ganz gut, und wer weiß, vielleicht hält es sie sogar eine Zeit lang am Leben, da drüben auf Starside ...«
Der Traum ging weiter, konzentrierte sich aber weiterhin auf Siggi. Siggi, wie sie in das Tor geworfen wurde und losstolperte, von der scheinbar sanften, aber nichtsdestotrotz unwiderstehlichen Anziehungskraft des Grauen Loches erfasst und hineingezogen wurde; wie sie in einer seltsamen Zeitlupe staunend in die dunstige weiße Ferne ging und immer kleiner wurde; wie sie innehielt, zurückblickte und vergebens versuchte, zurückzugelangen! Wie sie feststellte, dass das Tor eine Einbahnstraße war und überirdische Kräfte ihr lediglich gestatteten, es in einer einzigen Richtung zu benutzen, vorwärts, hinein ins Unbekannte. Andererseits war für sie so gut wie alles unbekannt. Und schließlich das Letzte, was sie von ihr gesehen hatten: eine winzige Gestalt, ein blau-silbern schimmernder, platinblonder Fleck, der
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