Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
richtig angingen. Was Devetaki Vormulac anvertraut hatte, entsprach der Wahrheit: Sie beneidete Wratha und ihre Abtrünnigen um das, was sie hier gehabt hatten und was ohne das Eingreifen Turgosheims daraus hätte werden können. Doch was sie notwendigerweise verschwiegen hatte, war weitaus wichtiger, nämlich dass sie keinen Augenblick zögern würde, sollte sich eine Gelegenheit ergeben, es selbst in Besitz zu nehmen. Selbst jetzt jagte ihr der Gedanke, Herrscherin über diese riesigen Territorien zu sein und über alles, was sich darin befand, wohlige Schauer über den Rücken. Und wer vermochte schon zu sagen, ob sie eines Tages nicht über noch wesentlich weiter entfernte Orte herrschen würde ...
Mehr noch, es war nicht ausgeschlossen, dass sie mit Turkur Tzonov auf den Schlüssel zu diesen Luftschlössern gestoßen war. Wie genau sie ihn einsetzen und in welche Richtung sie ihn drehen musste, war ihr im Moment noch nicht ganz klar; aber der Schlüssel befand sich in ihrer Hand, dessen war sie sich sicher. Und Vormulac Giftkeim persönlich hatte ihn ihr zugesprochen.
Für den Augenblick war Vormulac, auch wenn er es nicht wusste, ihr Werkzeug, unhandlich zwar und schwierig, aber er ließ sich benutzen. Sollte sie allerdings einen Fehler begehen und scheitern, würde sie seinen Zorn in voller Härte zu spüren bekommen! Bisher hatte er ihr in allem Recht gegeben, trotzdem musste sie immer noch aufpassen. Ihre Zeit würde kommen, wenn sie mit seiner Hilfe die anderen zurechtgestutzt und diejenigen, die ihr womöglich gewachsen waren, beseitigt hatte. Zack Kahlkopf der Lachende zum Beispiel war so jemand, aber die Umstände hatten dafür gesorgt, dass sie nicht nachzuhelfen brauchte. Mit einem kleinen bisschen Glück war Wamus der Nächste; und was Zindevar anging ... die musste ganz einfach verschwinden, wenn möglich geradewegs in die Hölle! Und dann ...
Nicht einer der Lords würde sich einer »bloßen« Frau beugen (Devetaki fragte sich, wie Wratha es wohl geschafft hatte, und fühlte sich ihr gewissermaßen verbunden). Doch bis dahin würde der Blutkrieg, hoffte sie, die Truppen der Lords etwas verschlissen haben. Die Ambitionen des Schwarzen Boris beschränkten sich lediglich auf einen Harem aus Trog-Geliebten, und Grigor der Lüstling hatte ähnliche Schwächen. Devetaki hegte nicht den geringsten Zweifel daran, dass sie die beiden mühelos außer Gefecht setzen konnte, wenn sie zuschlug, solange sie herumhurten.
Irgendwann musste allerdings auch Vormulac begreifen, was die Stunde geschlagen hatte, und erkennen, dass die jungfräuliche Dame die Überlebenden geschlagener Truppenteile ihrem eigenen Kontingent einverleibte, um es zu verstärken. Dann würde er merken, dass sie ihm allmählich entglitt. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde dies die Streitmacht aus Turgosheim in zwei Lager spalten, die sich zwar argwöhnisch beäugten, vorerst jedoch gezwungen wären, weiterhin gemeinsame Sache zu machen und ihre Anstrengungen gegen ihr vorrangiges Ziel, Wratha, fortzusetzen – zumindest so lange, bis die Wrathhöhe fiel. Bis dahin hätte der Krieger-Lord gewiss einen Entschluss gefasst, wie mit Devetaki umzuspringen sei, und sie würde ihrerseits wissen, wie sie Turkur Tzonos Talente am gewinnbringendsten einsetzte.
Dies ging der Lady (selbstverständlich sorgfältig vor dem Krieger-Lord verborgen) durch den Kopf, während die beiden sich Wamus’ Lager näherten, das hinter einem Vorhang aus vulkanischem Bimsstein lag, der zerbrechlichen, brüchigen Gischt eines vor Äonen versiegten Lavastroms, an der der Zahn der Zeit sichtbare Spuren hinterlassen hatte. Gerade als Devetaki sich der Tatsache bewusst wurde, dass sie ihren Gedanken bereits zu lange nachhing, polterte Vormulac los (als könne er in ihrem Geist lesen, wozu er glücklicherweise nicht in der Lage war): »Du bist sehr still, meine Lady. Still und nachdenklich! Es ist mir noch nie leicht gefallen, deine Gedanken zu ergründen. Darum sag mir: Was beschäftigt dich?«
»Ich habe darüber nachgedacht«, erwiderte sie, ohne zu zögern, »was ich dir bezüglich Wrathas ... Belagerung am besten raten sollte.«
»Wird sie denn belagert?«
»Noch nicht, gerade das ist ja das Problem!«
»Heißt das, du hast eine Lösung dafür?«
»Vielleicht ...« Und nun musste Devetaki wirklich nachdenken, und zwar rasch. Doch schon im nächsten Moment meinte sie: »Falls Wamus die Schlacht, die uns an der Feste im Pass bevorsteht, überlebt, sollten wir ihm
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