Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
Sprachenlernen leicht fällt, und ganz besonders Mentalisten. Mir, Zekintha und wahrscheinlich auch anderen, nehme ich an. Wenn man die Worte den Gedanken zuordnen kann, fällt es um einiges leichter. Bei dir, Ben, liegt es daran, dass du ein menschlicher Lügendetektor bist: Du erkennst, ob etwas wahr ist oder nicht, auch bei Wörtern. Besser kann ich es nicht erklären. Ian Goodly hat es ebenfalls, und ... David?« Er warf Chung einen Blick zu.
»Ich verstehe das meiste von dem, was gesagt wird, ja«, nickte Chung. »Über meine diesbezüglichen Fähigkeiten habe ich nie nachgedacht. Ich habe chinesische Eltern, bin in England aufgewachsen, in der Schule habe ich Deutsch und ein bisschen Französisch gelernt – der Rest schien sich von ganz allein zu ergeben, alles völlig natürlich.«
»Nein.« Trask schüttelte den Kopf. »Übernatürlich! Ich glaube, Nathan hat Recht: Es muss an unseren übersinnlichen Kräften liegen.«
Sie lehnten sich wieder zurück, und Nathan deutete auf die noch immer erstaunten, um nicht zu sagen: erschütterten Höhlentaucher, die bisher noch kein Wort gesagt hatten. Sie saßen zur Rechten Chungs, zwischen dem Chinesen und Kirk Lisescu. Doch hier geriet Nathan in Verlegenheit. Er war mit diesen Männern in dem Heim in Rumänien zusammengetroffen. Seither hatten sich die Ereignisse derart überschlagen, dass keine Zeit geblieben war, einander kennenzulernen. Im Augenblick fielen ihm noch nicht einmal ihre Namen ein.
Ihr Anführer, der Nathans missliche Lage bemerkte, kam ihm zu Hilfe: »Ich heiße John Carling, und meine beiden Freunde Jim Bentley und Orson Sangster. Ich glaube, wir alle haben ein bisschen von dem mitbekommen, was hier gesagt wurde, aber keiner von uns begreift, was hier überhaupt vorgeht. Diese ... wie soll ich sie nennen ... Parallelwelt ist der reinste Albtraum! Was wir bisher erlebt haben, übersteigt jedes Vorstellungsvermögen. Wäre es nicht jeder Einzelne von uns als Höhlentaucher gewohnt, sich unter der Erde aufzuhalten ... nun, ich glaube, wir würden schreiend davonlaufen! Allerdings wüsste keiner von uns, wohin oder mit wem wir es noch zu tun kriegen! Diese Leute hier sind uns wenigstens freundlich gesinnt und ... na ja, eben Menschen!«
Carling war ein untersetzter Mann, der aussah, als sei er jeder Lage gewachsen – klein, drahtig, mit kurz geschorenem, dunklem Haar. Er hatte kräftige, breite Hände, und wenn er redete, benutzte er sie, um das Gesagte zu unterstreichen. Sein Mund war klein, die Nase gerade und die Wangen leicht eingefallen. Wäre sein Haar etwas länger und seine Haut eine Spur dunkler gewesen, wäre er auch als Szgany durchgegangen.
Jim Bentley war ebenfalls schlank und geschmeidig, allerdings fast zehn Zentimeter größer als Carling. Er hatte einen schiefen Mund, rote Haare und braune Augen und lächelte immerzu nervös. Auf der Stirn hatte er eine tiefe, halbmondförmige Narbe, die von einem Unfall beim Höhlentauchen stammte.
Orson Sangster passte so gar nicht ins Bild eines Höhlentauchers. Er war ziemlich füllig, schwerfällig und hatte recht lange Arme, in mancherlei Hinsicht vergleichbar mit Lardis, den man am ehesten als »affenartig« beschreiben konnte. Und nicht anders als bei Lardis vermittelte sein Äußeres einen völlig falschen Eindruck. Niemals hätte man dahinter einen wachen Geist und einen scharfen Verstand vermutet.
Die drei taten Ben Trask irgendwie leid. »Sobald wir Zeit dazu haben«, meinte er, »kläre ich euch darüber auf, in was ihr hier hineingeraten seid. Aber wenn ich euch sage, dass das, was hier vor sich geht, sich sehr wohl auch auf die Zukunft unserer Welt auswirken könnte, dann versteht ihr vielleicht, dass es hier nicht nur um uns geht. Aber wie dem auch sein mag und ob es euch gefällt oder nicht, ihr steckt bis zum Hals mit drin. Am besten, ihr sperrt die Ohren auf und strengt euch an, die Sprache zu lernen. Es könnte sein, dass wir noch eine ganze Weile hierbleiben.«
Während Trask redete, ließ Nathan seine Blicke über Lardis’ Berater schweifen. Kirk Lisescu und Andrei Romani kannte er gut, aber die anderen waren ihm fremd. Und wie es schien, fehlten einige von der alten Mannschaft.
Bevor er mit seiner Geschichte begann, richtete er darum den Blick auf Andrei, der nun schweigend, anscheinend in Gedanken versunken, dasaß, und fragte: »Was ist mit deinen ...?« Doch sofort verstummte er wieder. Es lag an seinen telepathischen Fähigkeiten. Bei den Thyre hatte er zwar
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