Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
Achselzucken. Es war keine Absicht. Aber mit einem Mal war Trask klar, dass den Necroscopen bereits etwas anderes umtrieb ...
Das Schlimme daran war, dass Nathan niemandem sagen konnte, wohin er wollte oder was er dort vorhatte. Unbewusst beschäftigte Orleas Notlage – ihre Stellung als Maglores »Gefährtin« in der Runenstatt – ihn schon seit Langem. Der Seher-Lord hatte sie nicht verwandelt – jedenfalls nicht solange Nathan sich bei ihm aufgehalten hatte –, weil er ihr Menschsein schätzte. Bei Orlea verhielt es sich nicht anders als mit Nathan – für Maglore bestätigte sie nur seine Überlegenheit.
Allerdings hatte Nathan während seines Aufenthalts in der seelenlosen Runenstatt in Orleas Geschichte Wärme gefunden und konnte nicht vergessen, wie sie sich nach den Kindern der Sonnseite erkundigt hatte. Er hegte die Vermutung, dass sie lange vergangenen Zeiten nachtrauerte. Nun, und wenn sein Plan funktionierte ...
Doch selbst wenn er nicht funktionierte – weshalb sollte sie die ... Gastfreundschaft jenes abscheulichen Wamphyri-Lords auch nur einen Augenblick länger ertragen? Damals hatte sie Nathan erzählt, sie liebe Maglore; doch Nathan nahm an, dass ihre Liebe reinstem Irrsinn entsprang, vielleicht auch der Tatsache, dass der Seher-Lord an diesem düsteren, unmenschlichen Ort ihren einzigen Schutz darstellte. Nun, jetzt gab es eine Wahl, etwas anderes als Maglores zweifelhaften »Schutz«. Orlea brauchte die Gelegenheit lediglich beim Schopf zu ergreifen.
Am Nachmittag sah Nathan, nachdem er gegessen und geschlafen hatte, zu, dass er vor Misha wieder auf den Beinen war. Er konnte ihr ja schlecht sagen, was er vorhatte. Sie würde seine Gründe kaum gutheißen und wahrscheinlich der Meinung sein, sie nur zu gut zu verstehen! Er wollte sie zwar nicht hintergehen, ihr allerdings auch nicht wehtun. Wenn es ihm gelang, Orlea aus der Runenstatt zu holen, würde er sie in einer kleinen Siedlung der Thyre unterbringen, bis er sie später zurück auf die Sonnseite Turgosheims schaffen konnte. Natürlich alles im Geheimen! So viel Wenn und Aber, so viele Unwägbarkeiten ... Was, wenn ihm etwas zustieß? Dann säße Orlea bei den Thyre fest. Aber wäre das so viel schlimmer als ein Leben in der krankhaften Umgebung der düsteren Runenstatt, wo sie langsam wahnsinnig wurde?
Trask und Lardis gegenüber durfte Nathan ebenfalls nichts von seinem Vorhaben erwähnen. Schon bei der geringsten Andeutung würden sie sofort versuchen, ihn davon abzubringen. Und zwar völlig zu Recht, denn sollte ihm tatsächlich etwas zustoßen ... was würde dann aus Lardis’ Träumen und Hoffnungen werden? Und wie sollte Trask je nach Hause zurückkehren? Dachte Nathan nur an sich selbst? Doch wie konnte es Egoismus sein, wenn es ihm nur um das Wohlergehen Orleas ging? In der ansonsten abscheulichen Atmosphäre der Runenstatt war sie wie eine frische Brise gewesen. Vielleicht hatte sie ihn sogar davor bewahrt, den Verstand zu verlieren, sodass ihm der bloße Gedanken daran, dass sie noch immer dort gefangen saß, unerträglich war.
Ohne irgendjemandem Bescheid zu sagen, ging er ein Stück weit ins Grasland hinaus, beschwor ein Tor herauf und begab sich ...
... in die Ausläufer Turgosheims. Er befand sich innerhalb der Befestigungsanlagen, auf dem Dach des hoch aufragenden Turms, der die Runenstatt barg. Der Mittag war zwar lange vorüber, doch die Sonne stand noch immer hoch am südlichen Himmel, und ihre Strahlen brannten auf die höher gelegenen Wehrgänge hinab. Um diese Stunde lagen die Besatzungen der eroberten Stätten, Menschen wie Monster gleichermaßen, wahrscheinlich in tiefem Schlaf. Dennoch hielt Nathan seine Gedanken bedeckt und umhüllte seinen Geist mit Ziffern und Gleichungen, als er rasch an die niedrige Brüstung trat, sich darüberbeugte und durch dichte Rauchschwaden auf das düstere Turgosheim hinabblickte.
Er kannte die Koordinaten und hätte geradewegs in Orleas verschlossenes Gemach gelangen können. Er war vertraut mit den Räumlichkeiten und war seinerzeit (bei dem Gedanken schoss ihm das Blut ins Gesicht) oft genug dort gewesen. Doch was war mit Maglore? Selbst der Seher-Lord brauchte hin und wieder seinen Schlaf, und die Mittagszeit bot sich dazu an. Zudem pflegte Maglore, wenn er ... wenn er Orlea wollte, nach ihr zu schicken. Ihr Gemach hatte allein ihr gehört, sie war dort völlig ungestört; in der Runenstatt eine einzigartige Ausnahme!
Nathan wagte es nicht, die Stätte telepathisch zu
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