Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
Lumpen gekleidet; dasselbe traf auf seine Männer zu. Nestor begrüßte sie in der Landebucht, wies seine Knechte an, ihre Bestien in den Ställen unterzustellen, und ließ sie von einem Leutnant hinab in die unterhalb seiner Privatgemächer gelegene große Halle geleiten.
Minuten später, als düster und hager Gorvi der Gerissene mit seinen Leutnanten eintraf, meldete Nestors Gefolgsmann Grig, dass Wratha über den inneren Treppenschacht herabgestiegen war. Der Lady war dieser Weg in die Saugspitze vertraut; Nestors Wachkreaturen hatten sich an sie gewöhnt, außerdem hatte er ihnen Befehl erteilt, sie ungehindert passieren zu lassen, sodass Wratha mit ihren beiden Männern sicher an den Wächtern vorüberkam.
Blieben noch Canker und dessen Welpen, und natürlich seine silberne Mondgeliebte. Alle anderen jedoch waren eine gute halbe Stunde, bevor Canker sich einfand, in der Saugspitze versammelt, und Nestor tat sein Bestes, sie zu unterhalten, obwohl er im Großen und Ganzen nur Verachtung für sie empfand.
Nun, Wratha die Auferstandene war von dieser Verachtung ausgenommen, aber er schien ihr nicht recht zu trauen und schirmte seinen Geist die ganze Zeit über vor ihren Abtastversuchen ab. Sie war eine Frau und neugierig und mehr als nur ein bisschen verärgert. Während der letzten paar Wochen hatte ihre Affäre sich merklich abgekühlt, und sie konnte sich nicht erklären, was in ihren einstigen Geliebten gefahren war. Nestor gab sich nicht nur vollkommen anders, auch sein Wesen und selbst sein Aussehen schienen völlig verändert. Er schien das Gehabe eines Mystikers angenommen zu haben, eines Einsiedlers wie die vertrockneten alten Männer in Turgosheim; oder vielmehr wie ein junger Vormulac Ohneschlaf oder ein zolteistischer Asket wie der Seher-Lord Maglore. Die Verwandlung, die in Nestor vorgegangen war, war in der Tat erschreckend, vor allem für jemanden, der ihn so gut kannte wie Wratha. An jenem Nestor war nichts auch nur im Entferntesten Asketisches gewesen.
Und nun dieser plötzliche Fimmel, sich von Kopf bis Fuß ganz zu verhüllen, beinahe als schäme er sich seines Körpers – oder als fürchte er irgendeinen Makel ...
Andererseits, nun ja ... Nestors Aufstieg zu einem Wamphyri war in Windeseile vonstatten gegangen, und der Schlaf der Verwandlung hatte ihn geformt wie Wachs. Es hatte so ausgesehen, als sei er ein Naturtalent, der geborene Vampir, aber vielleicht war alles zu schnell gegangen, und womöglich war mit seiner Menschlichkeit noch etwas anderes aus ihm herausgebrannt worden. Allerdings konnte es auch gut sein, dass die Erkenntnis, das Wissen um seinen Zustand als Vampir ihn verändert hatte, die Tatsache, dass ihm nun grenzenlos alles offen stand. Die Verwandlung war stets eine traumatische Erfahrung, und manche traf sie tiefer als andere. Sollte dies der Fall sein, bestand immerhin die Möglichkeit, dass er sich wieder zurückverwandelte und wieder so wurde wie früher (nicht menschlich, das nicht, denn dies war ein für alle Mal vorbei; aber vielleicht gewann er seinen Elan und seine ... Lebenskraft zurück? Nun, zumindest die Kraft der Untoten!), wenn sein Blut sich endlich beruhigte und sein Vampiregel die Führung übernahm.
Oder lag es an etwas völlig anderem? Was war aus seiner Leidenschaft, seinem Lebenshunger und der düsteren Erregung, endlich ein Wamphyri zu sein, geworden? All dies hatte in ihm pulsiert, und er hatte sich dem ganz hingegeben. Auch ohne das Drängen seines Parasiten hatte ein Feuer in ihm gelodert, und seine Leidenschaften hatten in ihm gebrannt und sein dunkles Herz rot erglühen lassen. So viel war Wratha bekannt, denn sie hatte es gefühlt. Und sie hatte ihn dafür geliebt, nicht nur im Bett. Ihn zu berühren, seinen Duft einzuatmen, allein der Gedanke an ihn ... Und all dies war nun vorbei. Doch ... es fehlte ihr so!
Es fehlte ihr, allerdings ... so sehr nun auch wieder nicht. Schließlich war eine Erektion so gut wie die andere, und ein Mann letztlich eben doch nur ein Mann. Das Feuer war zu hell aufgelodert, das musste es sein. Das war eine Vorstellung, die Wratha akzeptieren konnte, der Gedanke, dass womöglich sie, die Lady höchstselbst, ihn seiner Energie beraubt, ihn zu weit getrieben hatte, sodass er ihre Begierden nicht mehr zu stillen vermochte und sie schließlich keine Verwendung mehr für ihn hatte.
Das konnte sie akzeptieren, jawohl.
Und doch ...
... Was, wenn sie sich irrte?
Was, wenn Nestor seinen Geist nicht abschirmte, um seine
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