Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
weiter hin- und herschwangen, nun jedoch auf gleicher Höhe wie ihre Augen. Von dieser Position aus blickte sie den Mann auf der kaum einen halben Meter entfernten Couch an. »Harry!«, sagte sie. »Jetzt machen wir etwas anderes. Ich möchte, dass du mir in die Augen siehst, wenn ich es dir sage. Nicht jetzt, erst wenn ich es sage. Hast du verstanden?«
»Klar doch! Aber du bist trotzdem noch an der Reihe!«
Oh, dieser Mann hatte einen starken Willen! Aber B. J. ebenfalls; außerdem verfügte sie ja noch über den Wein – und gänzlich andere Kräfte, um andere ihrem Willen zu unterwerfen. »Dieses Spiel ist jetzt vorüber«, sagte sie bestimmt. »Sobald ich es dir befehle, wirst du mir in die Augen blicken!« Und ehe er etwas zu erwidern vermochte, falls er überhaupt die Absicht hatte, fuhr sie fort:
»Harry, dies ist kein ›normales‹ Gespräch mehr! Du hast nicht länger die Kontrolle über deinen Geist. Du spürst, wie der Wein wirkt. Dir ist so übel wie noch nie. Du bist ganz benommen und um dich herum dreht sich alles. Nur ich kann dafür sorgen, dass es aufhört. Allein mein Blick kann es stoppen!«
Harrys Kopf rollte auf den Kissen hin und her, vor und zurück. Weitere Schweißperlen traten ihm auf die Stirn und sammelten sich in den dort eingegrabenen Falten. Doch obwohl seine Augen ebenfalls wie wild hin- und herrollten, blieben die verengten Pupillen weiterhin starr auf die Lüster gerichtet.
»Du glaubst mir doch, nicht wahr? Du spürst die Auswirkungen, die ich dir beschrieben habe?« Der Wein bewirkte Wahnvorstellungen und machte den Geist empfänglich für Suggestionen. In Verbindung mit ihrer sanften, einschmeichelnden Stimme erzielte er den gewünschten Effekt. Harry war leichenblass. Sein Atem ging schwer und sein Körper wand sich in Zuckungen. Einfach so mir nichts, dir nichts zeigte er alle Symptome einer körperlichen Krankheit. Nicht mehr lange, und er würde sich vielleicht noch übergeben!
Jetzt!, dachte Bonnie Jean, indem sie hinter sich langte. Ihre Finger fanden den Reißverschluss und zogen ihn auf, tiefer und immer tiefer. Sie streifte das enge Kleid von den Schultern. Es soll jetzt sein! Einen Augenblick lang wurde das Kleid noch von ihren Brüsten gehalten, dann fiel es nach vorn, und sie saß da, bis zur Hüfte entblößt. Sie erhob sich, sodass das Kleid zur Gänze von ihrem Körper glitt, und zog auch den Slip aus. Jetzt!, dachte sie abermals. Dann eben jetzt!
Dies würde sie einige Anstrengung kosten, denn die Zeit war noch nicht reif. Vollmond war ihre Zeit. Doch nun reichten ihre eigenen Kräfte nicht mehr aus, sie brauchte mehr als nur die Kraft ihres menschlichen Blickes. Oh, Harry Keogh würde schon auf sie hören, auch wenn sie eine Frau war, und ihr bis zu einem gewissen Punkt gehorchen. Doch als die Andere wäre sie mächtiger und hätte ihn vollständig unter Kontrolle, oder doch zumindest so sehr, dass sein Widerstand keine Rolle mehr spielte.
Sie setzte sich nackt vor ihn hin und wandte ihren Blick dem Kronleuchter zu, ließ dessen sanften Glanz ihren Geist ganz ausfüllen, so als hinge der Mond, ein wunderbar voller Mond, hier mitten in ihrem Wohnzimmer. Ein sich ständig wandelnder Mond, der seltsame Kräfte barg. Und auch Bonnie Jean ... verwandelte sich!
Ein Schauer überlief sie, das Spiel ihrer Muskeln war mit einem Mal deutlich zu sehen. Die Farbe schien aus ihrem Haar zu fließen, den ganzen Körper zu erfassen. Die hellen Strähnchen waren keine Strähnchen mehr, sondern wurden zu reinstem Grau. Sie war grau, beinahe weiß, von einem weißen Pelz bedeckt! Ihre Augen standen nun wirklich schräg und waren dreieckig, von weißem Fell umrahmt, riesengroß und ... blutrot!
Und Bonnie Jeans Lippen ... ihr Mund ... und erst ihre Zähne ...
Die Metamorphose, eine ungeheure Verwandlung, vollzog sich innerhalb eines Augenblicks. Wäre der Necroscope wach gewesen und nicht ihrem Bann erlegen – hätte er mitbekommen, was vor sich ging –, hätte er auf Anhieb gewusst, was los war, und wahrscheinlich nur ein einziges, Furcht einflößendes Wort laut herausgeschrien:
Wamphyri!
Doch er bekam nichts davon mit. Und hätte er ihren Atem auf seinem Gesicht gespürt – mittlerweile war sie nur noch wenige Zentimeter von ihm entfernt –, hätte er festgestellt, dass sie immer noch einen angenehmen Duft verströmte, allerdings nicht nach Parfum, vielmehr tierhaft nach Moschus. Als sie anfing zu sprechen, klangen ihre Worte eher wie ein Husten oder Knurren,
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