Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
falls notwendig, von ihrem Gebieter ablenken. Das hatte sie zuvor auch schon getan – vor sage und schreibe einhundertfünfundsiebzig Jahren –, um sie von seiner Fährte abzubringen. Und seither noch zwei weitere Male. Obwohl sie damals noch völlig unerfahren gewesen war, hatte sie den Sieg davongetragen; und bei den späteren Gelegenheiten natürlich ebenfalls, sonst stünde sie heute nicht hier! Ebendarin bestand doch ihre Aufgabe – über den Schlaf des Hunde-Lords zu wachen, der seit undenklichen Zeiten geduldig auf den Einen wartete, jenen geheimnisvollen Mann, dessen Kommen die alten Prophezeiungen geweissagt hatten.
Auf den Richtigen, aye! Abermals schweiften B. J.s Gedanken zu Harry, wenn auch nur für einen Moment ...
... ausgerechnet jetzt, wo die Zeit so nah war, da Er sie wieder rufen würde und sie Ihn aufsuchen musste. Und was diesen heimlichen Beobachter anging:
Wenn er beziehungsweise sie so nah waren, hatte B. J. sie womöglich, ohne es zu merken, ins Allerheiligste geführt? Doch das war undenkbar – unmöglich, dass sie so leichtfertig ein Geheimnis preisgab, das sechs Jahrhunderte lang so gut gehütet worden war! Nun, zumindest konnte sie ausschließen, dass Keogh mit ihnen unter einer Decke steckte. Denn würde er zu ihnen gehören, hätte er ihr wohl kaum von Anfang an seine Hilfe angeboten. Und als er sie unter Drogen gesetzt hatte, hätte er wer weiß was mit ihr anstellen, sie ... beseitigen können, und ihren Gebieter gleich mit ihr! Denn was war ihr Meister schon ohne sie? Nichts als eine armselige, wehrlose Kreatur in einem Höhlengrab! Aber Harry hatte nichts dergleichen getan; stattdessen hatte er sie in Sicherheit gebracht.
Was würde sie nun nicht alles für Harrys außergewöhnliche Fähigkeiten geben!? Dafür, so wie er einfach so mir nichts, dir nichts untertauchen zu können. Mit ihm auf ihrer Seite brauchte B. J. sich keine Sorgen wegen des anstehenden Besuches bei ihrem Gebieter zu machen! Harry würde jeden etwaigen Verfolger genauso leicht abschütteln, wie er ihr Mädchen abgehängt hatte.
Mit ihm auf ... oder an ihrer Seite?
Keogh ... Keogh ... Keogh!
Warum ging er ihr nicht aus dem Kopf? Schließlich war doch sie die Betörerin, Bonnie Jean Mirlu; sie verfügte über die Macht, die Menschen in ihren Bann zu schlagen! Und doch faszinierte sie dieser Keogh ...
Oh? Hatte das etwas zu bedeuten?
Seine Augen, so warm und unschuldig; weder grüblerisch noch hinterhältig und auch nicht leichtfertig (nur manchmal schienen sie zu einem Flirt einzuladen). Eigentlich waren sie nichts Besonderes und doch außergewöhnlich in ihrer Tiefe. Wie sie die Seele, die hinter ihnen lag, widerspiegelten! Oh ja, sein Blick war seelenvoll! Bei dem Gedanken an seine Seele überlief B. J. unwillkürlich ein Schauder. Sie musste köstlich sein, seine Seele ... Nur ein Wort von ihrem Gebieter, und sie würde davon kosten, sie ihm innerhalb eines einzigen blutigen Augenblicks rauben! Aye, und dann wäre es aus mit seinem geheimnisvollen Getue, ein für alle Mal ...
Geheimnisvolles Getue ...?
B. J. fuhr aus dem Sessel in ihrem Wohnzimmer hoch, in dem sie eben noch gesessen hatte, um über die Ereignisse nachzugrübeln. Mit einem Mal fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Harry Keogh, ein rätselhafter Mann, der wie auf ein Stichwort plötzlich einfach aus dem Nichts aufgetaucht war! B. J. fühlte sich auf eine merkwürdige, nur schwer in Worte zu fassende Weise zu ihm hingezogen, so als würde sie ihn schon eine Ewigkeit kennen. Und zwar so sehr, dass sie sich, anstatt ihn einfach seinem Schicksal zu überlassen – oder ihn selbst umzubringen –, sogar in seine Obhut begeben hatte! Später hatte er sie dann aufgesucht, um sie zu warnen. Der geheimnisvolle Harry Keogh!
Was dachte sie da bloß? Etwa, dass er tatsächlich jener Geheimnisvolle war, auf dessen Ankunft der Hunde-Lord wartete? Und wenn er es war? Sie hatte ihn einfach so hinausspazieren lassen ...
Bonnie Jean hatte schon zu viel erlebt, um in Panik zu geraten, aber einen Augenblick lang stand sie dicht davor. Dann jedoch betrachtete sie das Ganze einmal vernünftig. Harry Keogh war also gekommen und wieder verschwunden ... na und? Er würde zurückkehren, das wusste sie, und zwar wann immer sie ihn rief! Mittels ihrer hypnotischen Kräfte hatte sie ihn in ihren Bann gezogen, sodass er ihr nun ebenso verfallen und hörig war wie sie ihrem schlafenden Gebieter. Nur dass Harry nichts davon wusste und es wahrscheinlich auch
Weitere Kostenlose Bücher