Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
gerade noch von seinem Gesicht fernhielt – keinen Hund, sondern einen heiser knurrenden, hechelnden, schnappenden Wolfsschädel mit roten Augen und wütenden gelben Pupillen! Das Ding hatte keinen Körper, es wuchs direkt aus der Sprechmuschel.
Die Telefonschnur zuckte wie verrückt hin und her, ehe sie sich straffte, als das grässliche Ding, das daran hing, mit aller Kraft daran zog und Harry den Arm nach innen bog, auf seinen vor lauter Überraschung offen stehenden Mund zu. Der Kopf wollte nach ihm schnappen, zubeißen und ihm das Gesicht zwischen den gewaltigen geifernden, übel riechenden Kiefern zermalmen.
»Allmächtiger!«, entfuhr es Harry, indem seine Faust sich in das raue Fell krallte, um den Kopf zurückzuzwingen, während er gleichzeitig krampfhaft bemüht war, mit der linken Hand sein Gesicht zu schützen. Vor dem ledrigen, weit aufgerissenen, knurrenden Wolfsmaul stand weißer Schaum. Mit zurückgelegten Ohren, die riesigen gelben Zähne gefletscht, streckte sich die Schnauze in unmissverständlicher Absicht dem Necroscopen entgegen. Dann ...
... schlossen sich die Zähne um Harrys wild hin- und herfuchtelnde Linke. In mindestens dreien seiner Finger spürte er die Knochen brechen und fühlte den brennenden Schmerz, als das Fleisch durchtrennt wurde!
Pranken, so groß wie Hände, reckten sich aus der Muschel, gefolgt von einem länglichen, grauen, von Schleim feuchten Körper, geradewegs so, als würde das Telefon dieses Ding gebären! Nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt klappten die Kiefer aufeinander. Blut spritzte von ihnen und Stücke eines noch zuckenden, abgebissenen Fingers. Die Bestie riss sich von ihm los und das räudige, verfilzte Fell blieb in Büscheln in Harrys Hand zurück!
Er ... vermochte sich nicht länger zu wehren!
Am schlimmsten jedoch war die Intelligenz in diesen mordlüsternen, ach-so-wissenden Augen mit den gelben Pupillen, als der rote, gerippte Schlund des Ungeheuers sich immer weiter öffnete, um sein Gesicht, seinen ganzen Kopf zu verschlingen!
Harry schrie gurgelnd auf und warf sich zurück, so ruckartig und heftig, dass dabei sein Sessel umkippte.
Wie aus weiter Ferne vernahm er das Trommeln des Regens auf den Fensterscheiben und zu guter Letzt blitzte es auch. Ganz in der Nähe erscholl ein gewaltiges Donnergrollen und nach einem plötzlichen Windstoß flog die Terrassentür auf.
Harrys Mutter kam hereingestürzt. Harry! Guter Gott, Junge ..., rief sie. Was für einen Traum hast du da bloß!?
Seine Mutter war nur noch ein schlammbedecktes, von Tang behangenes Skelett, doch das war in Ordnung, denn so war sie schon immer gewesen. Ihm war jedoch klar, dass sie eigentlich gar nicht hier sein dürfte, ja, dass sie gar nicht hier war ... es sei denn in seinem Kopf ...?
Harry?
»Mutter?«, stieß er schwer atmend, erstickt hervor, lang ausgestreckt auf dem Boden liegend. Der Regen prasselte ihm ins Gesicht und vom Garten her heulte der Wind und wirbelte sein loses Briefpapier wie ein tanzender Derwisch quer durch das ganze Zimmer.
Ein Traum? Natürlich, was sonst! Aber musste sie wirklich fragen, um was für eine Art Traum es sich handelte?
»Einen Albtraum, Mutter«, erklärte er ihrem vor langer Zeit ertrunkenen Geist, der tief unter Schlamm und Seetang begraben in einer Flussschleife lag, die ihr zum Grab geworden war. »Einen v-verdammten, b-b-beschissenen A-Albtraum!« Zum ersten (und wahrscheinlich auch letzten) Mal in seinem Leben fluchte der Necroscope Harry Keogh in Gegenwart seiner geliebten Mutter.
Doch deswegen brauchte er sich keine Sorgen zu machen, denn seine Mutter hatte seinen Traum mitbekommen und verstand ihn voll und ganz ...
FÜNFTES KAPITEL
»Mutter«, sagte Harry, nachdem sein Zittern sich gelegt hatte, »hältst du es für möglich, dass ich ... na ja, vielleicht dabei bin, verrückt zu werden?«
Du meinst: richtig verrückt? Seine seit Langem verstorbene Mutter wählte ihre Worte sehr sorgfältig. Du meinst – wahnsinnig? Das halte ich für äußerst unwahrscheinlich. Wenn es überhaupt je dazu kommen sollte, dann wäre es doch wohl schon vor einiger Zeit passiert? Aber nach allem, was du durchgemacht hast – ich darf gar nicht daran denken –, glaube ich eher, dass du unter enormem Stress stehst und dir einfach Sorgen machst. Und wer weiß? Vielleicht bist du ja auch noch krank dazu? Ich meine, ganz normal krank?
»Du meinst das Brennen in meinen Augen? Den rauen Hals? Und dass mein Kopf sich anfühlt, als wolle
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