Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
etwas gänzlich anderes während seiner Verbannung. Er träumte von seinem unvergänglichen Durst nach Rache (den er bald zu stillen gedachte) an jenen, die ihm das Wenige, was er einst geliebt, geschändet und genommen hatten.
Aye, seine Träume verblassten bereits – würde er sie sich nicht stets aufs Neue ins Gedächtnis rufen, um sie in albtraumhafter Deutlichkeit vor sich zu sehen. Denn mit der Zeit verliert alles an Kontur, und alles gerät in Vergessenheit, doch an diese Dinge wollte Radu sich ewig erinnern. Während seines jahrhundertelangen Schlafes war dies seine einzige Zuflucht gewesen, die einzige Möglichkeit, seinen Hass aufrechtzuerhalten, solange er untot auf seine Auferstehung wartete.
Er rief sich Namen aus seiner ihm mehr und mehr entweichenden Vergangenheit in Erinnerung, Namen, die er in alle Ewigkeit verfluchte. Die Zirescus zum Beispiel: Giorgio, Ion und Lexandru. Dann waren da noch die Ferenczys, Lagula und Rakhi, einstmals Lords auf der Sternseite. Aber sie alle waren seit Langem, Langem tot, gestorben in einer anderen Welt – und zwar von seiner Hand, aye!
Radu schwelgte in Erinnerungen, die in ihm aufstiegen, daran, wie er es ihnen gegeben hatte, und malte sich aus, wie es sein würde, wenn er sich demnächst mit jedem, der noch am Leben war, mit jedem ihrer Abkömmlinge befassen würde, wenn er aufs Neue in dieser Welt umging, in der seine Träume endlich Wirklichkeit werden sollten.
Zugegeben, Blutfehden aus grauer Vorzeit beizulegen, war nur ein kleiner, allerdings ... köstlicher Teil des Planes, den er in seinem nun schon seit undenklichen Zeiten währenden Schlaf ausgeheckt hatte! Und jedem von ihnen, der womöglich noch lebte, würde es nicht anders ergehen als seinerzeit seinen Vorfahren. Vielleicht auch schlimmer!
Sein »seit undenklichen Zeiten« währender Schlaf ...
Nun, keiner von denen, die er zurückgelassen hatte – ob tributpflichtige Szgany oder Knechte, die sich um ihn kümmern sollten, wenn es so weit war –, war noch am Leben. Nur er! Radus Träume und Erinnerungen bedurften zwar ständiger Auffrischung. Dennoch stellten sie die einzig wirklich feste Verbindung zu seiner immer undeutlicher werdenden Vergangenheit dar und seine einzige nach vorn weisende Richtschnur ... in eine sich immer weiter vor ihm ausbreitende Zukunft, die noch immer blutrot erschien! Vor seinem geistigen Auge nahm alles Gestalt an – wie es damals, in einer fremden Welt, gewesen war und wie es nun bald auch hier geschehen würde:
Giorgio, dieser grausame alte Bastard! Bah! Er hatte einen viel zu leichten Tod gehabt ... Hilflos hin und her zappelnd hatte er in dem aus der klaffenden Wunde in seiner Kehle und seinem durchbohrten Wanst strömenden Blut gelegen. Pfeifend entwich in hellroten Blasen der Atem aus seiner durchtrennten Luftröhre und blieb als grauer Schaum in seinem Bart hängen. Verzweifelt rang er nach Luft. Doch der purpurne Strahl verebbte und seine Bewegungen wurden langsamer, während das Leben rasch, viel zu rasch, aus ihm schwand.
Und Giorgios Sohn, Lexandru, der Radus Schwester vergewaltigt und sich Magdas Körper, als sie bereits im Sterben lag, mit seinem Bruder Ion und den Ferenczys geteilt hatte. Auch Lexandru war viel zu schnell gestorben. Mit einem Bolzen aus Radus Armbrust in seinem schwarzen Herzen hatte er ungläubig Radus Namen gestammelt, während ihm das Blut aus dem Mund schoss.
Und schließlich Ion, der Letzte und Widerwärtigste dieser abscheulichen Sippe:
Ion, mit einem Bolzen im Arm und einem weiteren in der Schulter, der ihn an einen Baum nagelte. Radu hatte sich geschworen, dass diesmal die Strafe angemessen sein würde, ebenso grausam wie das Verbrechen selbst. Sie hatten Magda vergewaltigt, bis sie an ihren Wunden starb, und ihr die Unschuld geraubt, ihr die Jungfernschaft mit Gewalt entrissen. So sei es ...
Wehrlos hing Ion an seinem Armbrustbolzen, während Radus Klauenhand beinahe zärtlich über seinen empfindlichsten Körperteil strich. Dann ... legte Radu all seinen Zorn und die ungeheure Wut eines Wamphyri in seinen Griff!
In diesem Augenblick nahm er Ion Zirescu buchstäblich alles; zerfetzt baumelten die Adern und Röhren aus Ions Unterleib nutzlos herab! Keineswegs überraschend hatte Ion das Bewusstsein verloren und blutete so heftig, dass absehbar war, dass er nie wieder aufwachen würde. Doch Radu hasste Verschwendung. Solange am Hals seines Opfers noch ein Puls zu spüren war, trieb er ihm seine Reißzähne in die Kehle, um
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