Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
nur um Waldemar handeln. Und weshalb er aus Kiew verbannt wurde ... nun, er war ein Wamphyri!
Es war die Zeit der Wikinger, und die Varyagi waren dabei, entlang der östlichen Flüsse des Kiewer Reiches ihre Handelsrouten zu den Griechen zu errichten. Nun, Waldemar mochte zwar aus dem Land verbannt sein, dennoch streifte er gern tagelang durch die Wälder, die sich westlich des Bug erstreckten, um Wildschweine zu jagen. Und eines Tages stieß er auf ein Lager der Varyagi.
Unter normalen Umständen hätte es keinen Ärger gegeben; oh, sie waren wilde Kämpfer, die Wikinger, aber sie trieben auch Handel. Und der Ferenczy hatte einen Trupp seiner Gefolgsleute, seiner Knechte dabei. Diesmal lief es jedoch anders. Die Wikinger waren auf dem Weg nach Norden, Richtung Ostsee, um nach Hause zu gelangen, und führten eine wunderschöne Frau mit sich, die sie aus irgendeiner Hafenstadt am Schwarzen Meer geraubt hatten. Bislang hatte man ihr kein Leid angetan; sie wollten sie zu Hause verkaufen, damit sie die schwarzlockige, glutäugige Frau eines Königs oder Fürsten wurde.
Sie flehte Waldemar an, ihr als Edelmann zu helfen. Offensichtlich war er ein Boyar, denn er hatte seine Männer, Hunde und Falken dabei. Doch die Männer des Ferenczy waren Knechte, die Hunde Wölfe und seine Falken nicht minder blutrünstig als er selbst!
Nun, damit endete die Geschichte in dem moldawischen Museum, aber wenigstens war ich in der Lage, den Namen dieser Dame ausfindig zu machen. Sie war eine sizilianische Prinzessin oder doch zumindest königlichen Geblüts. Leider war sie unehelich geboren und hatte daher keinerlei Anspruch auf das Gebiet, dessen Namen sie trug: Constanza de’ Petralia. Petralia ist ein Dorf oder Städtchen in der Madonie, auf Sizilien.
Also fuhr ich nach Sizilien und sprach mit mehreren Historikern, aber aus ihnen war nichts herauszukriegen, beinahe so, als wollten sie etwas verschweigen! Schließlich gelang es mir, Einblick in ein paar alte Aufzeichnungen zu bekommen. Constanza de’ Petralia kehrte im Jahr 866 nach Sizilien zurück. Kaum wieder zu Hause, gebar sie ein Zwillingspärchen, zwei Jungen. Der eine war furchtbar missgestaltet und wurde gleich nach der Geburt getötet. Das überlebende Kind erhielt den Namen – man höre und staune – Angelo! Weit wichtiger aber ist, dass er, sobald er volljährig wurde, seinen Familiennamen änderte – in Ferenczini! Seine Mutter gelangte zu Besitz und Geld. Sie verhätschelte ihren Sohn, der viel reiste: nach Korsika, Italien, Rumänien und Moldawien. Doch da verliert sich die Spur, und soweit ich weiß, gibt es heute keine Ferenczinis mehr. Und was den Namen Ferenczy angeht: In den ganzen Karpaten und angrenzenden Gebieten ist er gang und gäbe.
Die richtigen Ferenczys allerdings – befinden sich immer noch irgendwo da draußen ...
B. J. verstummte. Nun wusste Harry ebenso viel wie sie selbst – dachte sie. Tatsächlich wusste der Necroscope eine ganze Menge mehr; er hätte ihr ohne Weiteres verraten können, was aus Faethor und Thibor Ferenczy geworden war! Allerdings würde es nicht leicht fallen, es aus ihm herauszuholen, denn das hieße, sein Talent preiszugeben. Aber sie fragte ja auch nicht danach, denn nie im Leben hätte sie etwas Derartiges vermutet. Weshalb auch?
B. J. war erschöpft; es hatte einer gewaltigen Willensanstrengung bedurft, ihre Wolfsgestalt und die Macht ihrer blutroten Wamphyri-Augen aufrechtzuerhalten. Aber sie musste sichergehen, dass das, was sie mitteilen wollte, auch wirklich tief einsank, dort blieb und nicht irgendwie missverstanden wurde. Denn er war schon ein merkwürdiger Mann, dieser Harry Keogh, und noch weitere Episoden oder Fehler wie die Farce mit dem Telefon konnte B. J. sich nicht leisten.
Danach fragte sie ihn dann auch, nachdem sie ein bisschen ausgeruht und wieder menschliche Gestalt angenommen hatte: »Harry, was war eigentlich mit deinem Telefon? Weshalb hast du deine Nummer ändern lassen?«
Ohne zu blinzeln, blickte er ihr direkt in die Augen, die nun tierhaft wirkten, ihr Gesicht nichts als ein dunkler Fleck, der sich vor dem Lichtkranz seiner Leselampe am anderen Ende des Zimmers abzeichnete. »Ich hatte Angst davor«, krächzte er mit trockenem Hals.
»Spar dir deine Spucke. Befeuchte erst deine Kehle, dann fühlst du dich wieder gut und kannst normal sprechen. Aber schlafe weiter, höre zu und gehorche!«
»Natürlich«, erwiderte er nach einem Moment, als sein Adamsapfel aufgehört hatte, auf und ab zu
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